Oder, wenig Kohlen um viel Steine
Eine umfassend klärende Befahrung des Bergwerks Birmenstal und die resultierenden möglichen Antworten auf allerlei Geheimnisse,
Aber erstmals der Reihe nach,
Im Vorbeitrag Kohlebergwerk im Fürst glaubte ich diverse Widersprüche in denn verschiedensten, herum kursierenden Grubenplänen erkannt zu haben. Matti, fleissiger Mitforscher, machte daraufhin sich auf zu den verschiedenen Staatsarchiven. Die Widersprüche indes schienen nicht abzunehmen gegenteilig, die Neugierde potenzierte sich.
Plan vergrössern, Plan anklicken (Quelle: Staatsarchiv des Kanton Zürichs)
Der Urgrubenplan, hier im Bild eine, am 3. Mai 1837, beglaubigte Kopie der Bergwerke Im Fürst und Birmenstal, diente wahrscheinlich Emil Letsch als Grundlage zu dessen Plan welcher 1899 auf „Molassekohlen westlich der Reuss“ publiziert wurde.
Sowohl der Letsch-Plan wie auch die Urform wies einige Unstimmigkeiten auf. So etwa der Stollenverlauf im Fürst, siehe Kohlebergwerk im Fürst , welcher nicht annähernd mit denn erkundeten Stollen übereinstimmt. Hinzukommend tauchen zu unserem damals befahrenen Stollenwerk, neue Grubenpläne auf welche wiederum noch mehr Unklarheit ins Dunkle sähen.
Erst die weitere Durchsicht Staatsakten und gesammelter Artikel bringt interessante neue Fakten ins Spiel.
Das Bergwerk im Fürst welches immer wieder ein Besuch wert war, einmal mit Marlene, siehe Verborgene Kohlen in Elgg, Part II, und später mit Matti und Barbara, siehe Vorbeitrag Kohlebergwerk im Fürst , wurde einst in Jahren 1971, im Zuge einer Jugendforscht-Arbeit, ausgiebig vermessen. Der daraus resultierte Grubenplan des Jugendforscht-Teams Jörg Steiner und Werner Walz diente mir wiederum zur Weiterverfolgung immer wieder aufkreuzender Geheimnisse.
Eines war schnell klar, dieser Grubenplan von Jörg Steiner und Werner Walz stimmt nicht mit der Fassung von Letsch überein auch keine Übereinstimmung findet sich zum Urplan. Ergo muss noch ein Bergwerk im Fürst existiert haben. Erhärtet wird diese Tatsache durch eine weitere Geschichte wonach anno 1965 beim Bau des neuen Reservoirs der alte Hauptstollen nahe des von uns erkundeten Bergwerks, angestochen wurde. Der damalige Brunnenmeister wagte einige Meter in das Stollensystem. Die Beschreibung des Wassermenschen deckt sich am ehesten mit den Aufzeichnungen von Letsch.
Folglich zwei Bergwerke im Fürst und eines in Birmenstal wovon das mittig liegende Bergwerk im Fürst wahrscheinlich zu einem Nachbarstollenbau verbunden war. Nun die Gretchenfrage, womit war unser erkundetes Stollenwerk verbunden, etwa mit den Bergwerken westlich liegend welche die Schultheiss & Cie anno 1811 bis 1827 betrieb oder mit dem Birmenstalberwerk, östlich liegend, welches die letzten Tage um 1839 unter Klaiss & Ziegler bestand.
Die Theorie wonach eine Verbindung existieren muss stütze ich auf eine etwas merkwürdig anmutende Stollenverknüpfung kurz vor Ende der Hauptstrecke im Fürst, siehe Verborgene Kohlen in Elgg, Part II. Die Tatsache wonach von zwei Seiten her gegraben wurde scheint, anhand der gemachten Beobachtungen, sich zu erhärten. Die damaligen Jugendforscher indes schliessen eine Verbindung zum Stollenwerk Birmenstal aus. Wir konnten jene gesamte Stollenlänge nicht näher befahren, beide male trafen wir eine gefährlich niedrige Stollendecke zur Wasserlinie, ergo ein knappes Siphontauchen.
Es blieb indes, mangels wassertauglicher Ausrüstung ein weiteres Geheimnis lange verborgen, genannt hierbei das System Birmenstal welches zwischen 1764 und 1839 heranwuchs.
Am letzen Samstag war die benötigte wasserfeste Ausrüstung zusammen und auch das Wetter schien uns, mit wärmenden Sonnenstrahlen, gnädig gestimmt. Auf ins Birmenstal mit der nötigen Vorbereitung zu dieser, eher nassen, Expedition. Ein Grubenplan vom Bergwerk Birmenstal, aus dem Buch „Die Bergwerke im Kanton Zürich“ modelte ich, zwecks möglicher Ergänzungen, in die digitale Form um. Auch hierbei, ein Plan welcher nur wenig Übereinstimmung mit der beglaubigten Urkopie von 1837 inne hat. Logische Schlussfolgerung, auch die Letsche Fassung stimmt nicht mit meiner Digitalfassung, aus „Die Bergwerke im Kanton Zürich“ gezogen, überein.
Das einzige noch offene Mundloch findet sich im mitten des Dickichts eines lichten Waldflecks. Dieser zugängliche Stollen diente einst als Entwässerung der Strecken Ost und Wasser floss in der Tat in Strömen. Naheliegend das der Spaziergang durchs Wasser Neues offenbaren könnte.
Anfänglich herum liegendes Holzzeugs welches, bei akrobatischer Kletteraktion die Wassertiefe erträglich macht, schwindet allmählich. Der Wasserstand bedeckt gegen Ende des Entwässerungsstollens meine nackten Beine, ich hasse nasse Hosen. Da ich jedoch, schlau wie ich bin, trockenes Zeugs in wasserdichter Tüte mit mir führe, bin ich guter Dinge doch noch wohlgewärmt diese Befahrung durchführen zu können.
In der Strecke Ost plätschert ein Wildbach vor sich hin. Wir indes beschliessen westlich die Strecke Richtung Hauptquerschlag zu befahren. Die erste Unstimmigkeit mit dem Grubenplan aus dem Buch „Die Bergwerke im Kanton Zürich“ macht sich breit. Der Kreuzpunkt nahe dem Wasserstollen stimmt im realen nicht überein. Interessant auch, der Wasserstollen war vermutlich auch hier von aussen her gebaut worden während eine zweite Gruppe der ersten Mannschaft von innen her entgegen grub. Die Höhe des Wasserstollens war zu tief, beide Systeme verfehlten sich beim Erstanlauf. Erst ein gekrümmter abwärts verlaufende Stollen traf die Entwässerungsbaue. Dies könnt die mögliche Erklärung für das merkwürdig anmutende komplexe Stollengewirr an Stelle oberhalb der Entwässerung sein.
Die Oststrecke welche das Hauptsystem verbindet war leider genauso üppig immer wieder mit grossen Seen bestückt. Die trockenen Kleider durften folglich weiterhin in meinem Armybag verweilen.
Und tatsächlich trafen wir auf den Hauptquerschlag welcher von aussen her verschüttet ist. Ergo, das Hauptsystem ist befahrbar. Auf dem Bild sichtbar das abgebaute Kohleflöz oberhalb des Hauptstollens.
Wir machten uns in der Folge daran erstmals den Hauptquerschlag von Ende Nord bis Ende Süd zu erkunden. Auch hierbei kriechstellen wechseln sich mit Seen ab. Wo ein aufrechter Gang möglich wird reicht das Wasser bis auf Bauchnabelhöhe indes an Stellen in denen der Hauptstollen trocken ist, beträgt die Stollenhöhe selten mehr als 80 cm.
Der Hauptquerschlag endet im Norden in einem Mannshohem Stollenbau in hartem Nagelfluh, leider jedoch auf Bauchnabelwasserstand. Auch der Südteil des Stollens, Mannshoch, liegt im Wasser bis zum Bauchnabel. Enden tut dieser an einer Verschüttung Richtung ehemaliges Hauptmundloch. Die Stollenbreite des Hauptförderwerks ist kaum 80cm was auf zarte Grubenhüntchen von höchsten 50cm Schienenbreite, wenn überhaupt, schliessen lässt.
Zwischendrin ein langer, brüchiger Nagelfluhabschnitt mit Wasserseen und gnadenlosen Engstellen. Auch bei dieser Befahrung waren meine trockenen Kleider von eher minderer Hilfe zumal diese immer noch im Bag warteten.
Die Stollenhöhe war in den brüchigen Nagelfluhteilen, welche die Mehrheit stellen, einst deutlich höher. Klar erkennbar, sowohl von den Seitenwänden wie auch von der Stollendecke bröckelten Nagelfluhsteine auf den Boden. Die Jahre waren viele, genannte 176, und die Stollenhöhe verfüllte sich während die nominale Breite zunahm. Auch das abgebaute Kohleflöz dürfte, über einige Strecken, unter dem dicken Nagelfluhschutt zu finden sein.
Vom Hauptquerschlag verlaufend begannen wir einige Seitenarme der Anlage zu erkunden. Ein kleiner Bergbach welcher leise vor sich in plätschert und im Rostwassersee mündet findet sich in hinterem Ostabschnitt.
In Weststrecken tauchen wiederum Differenzen zum begleitendem Grubenplan auf. Es zeigen sich, entgegen der Zeichnung, weitere Stollen mit sehr engem Durchschlupf (20cm). Demzufolge stimmt die Anzahl abführender Abbaustollen nicht mit dem Plan überein.
Auffällig auch, ziemlich am Anfang nach einstig in die Oststrecke begegnet uns eine Schnur die am Stollenboden gespannt liegt. Es dürften folglich bereits vor uns Neugierige mit eher bescheidenem Orientierungssinn dies Werk befahren haben. Diese Schnur schwindet im Hauptquerschlag in eine Wasserbestückte Weststrecke. Wir vermuten das diese Strecke die längste sein dürfte. Eine Klärung der Frage nach der Verbindung zu im Fürst naht also. Die Strecke scheint nimmer zu enden. Wechselnd zwischen Seen, wie gewohnt Bauchnabeltief, und Kriechpartien macht sich allmählich mürber Sandstein breit. Der Sandstein jedoch bürgt zunehmend äusserst beschwerliche Versturzstellen die mit vollem Körpereinsatz, und bei mir, mit zerschlagenen Knien, überklettert werden müssen. Nach zweiter Versturzstelle folgt ein See. An dieser Stelle ist, wie im erkundetem Fürst-Stollen die Spalte zwischen Stollendecke und Wasser keine 10 cm. In der Folge treten wir den Rückzug an.
Grubenplan gross machen, Grubenplan anklicken.
Den Grubenplan welcher uns zur Erkundung diente haben wir vor Ort mit unseren Beobachtungen ergänzt und korrigiert. Die meinige Fassung weicht nur wenig vom Original aus „Die Bergwerke im Kanton Zürich“ ab und kann resultierend als der Stimmigste betrachtet werden. Indes ist die Letsche Fassung respektive der im Staatsarchiv deponierte nur sehr rudimentär gezeichnet.
Das Stollensystem des Bergwerks Birmenstall ist in beachtlicher Länge fast vollständig befahrbar. Indes sind viele Seitenstollen sehr eng, auch die Schnur schien durchaus begründet. Solch umfassendes Bergwerk insbesondere in den Seitenzweigen führt gerne zu Orientierungsverlust. Als gefährliche Fallen können Engstellen in Zwischenstrecken betrachtet werden die trichterförmig stetig zunehmend schmaler werden und kaum Rückzug erlauben. Auch die Seen mit Tendenz zum Siphon sind nicht ohne.
Ungeklärt jedoch bleibt die Frage nach der Verbindung zur mittleren Grube im Fürst.
Aus diesem Grunde versuchte ich anschliessend die digitalen Grubenpläne, Winkel und Massstabsgetreu in das Gelände einzufügen.
Plan gross machen, Plan anklicken
Der Weststollen Birmenstal ist noch weit fern vom mittleren Bergwerk. Obwohl wir sicher sind das im Grubenplan Birmenstal all jene engen Durchschlüpfe fehlen, folglich die Strecke, nach 2 Versturzstellen, deutlich länger sein dürfte als gezeichnet, ist immer noch die Distanz zum mittleren Bergwerk im Fürst beträchtlich. Eher dürfte das westliche Bergwerk im Fürst und der mittlere, hier autonom gezeichnete, Stollen einst eine Einheit gebildet haben. Dagegen spricht einzig der etwas chaotische Stollenverlauf des mittleren Werks. Indes ist das Westwerk auf meiner Karte, aus der beglaubigten Kopie von 1837 heraus digitalisiert, gesehen hat niemand von uns dies System. Könnte folglich sein das die Differenzen zum effektivem Stollenverlauf immens sind. Was hier geordnet und logisch angeordnet erscheint könnte in Tat und Wahrheit genau so chaotisch verlaufen.
Meine Subjektive Meinung, der mittlere Stollen im Fürst war einst Teil des Hauptbergwerks im Fürst. Ein kleiner Teil dieses Gangsystems war der Versuch von Aussen her ein weiteres Flöz anzufahren erst gegen Ende der Bergbauperiode war die Idee geboren die Stollen miteinander zu verbinden. Vermutlich waren Entwässerungsabsichten des Teils Ost ausschlaggebend. Dieses Werk indes verhaute sich in Richtung und Höhe der Abbau wiederum schien 1837 keine erwartete Rendite zu generieren so das die Anlagen definitiv geschlossen wurden.
Quellen
Bilder: Luisa / Matti
Beglaubigte Grubenplankopie von 1838: Staatsarchiv des Kanton Zürichs
Grundlage zu Grubenplan Birmenstall: „Die Bergwerke im Kanton Zürich“
Grundlage Grubenplan im Fürst: Jörg Steiner / Werner Walz
Untergrundkarte Elgg: GIS Kanton Zürich
Zitate, zusammengefasste Aussagen: NZZ 1938, Jugendforschtbericht 1971, Emil Letsch
Vorbeiträge
Kohlebergwerk im Fürst
Verborgene Kohlen in Elgg, Part II
Verborgene Kohle in Elgg
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