Buffalora 1520
am 24. Oktober 2021 unter Steinerne Unterwelten abgelegtDie Tage zogen längst an dieser kargen Berglandschaft vorbei und liessen jene grossen Momente einer mächtigen Eisenindustrie in die Vergessenheit abtauchen. Ich will versucht sein eine Rekonstruktion anhand gefundener Artefakte aufzugleisen.
CAMPELL schrieb im Jahr 1571 über das im Tal gelegene Dorf:«Hier standen noch bei unserm Gedenken einige Herbergshäuser, fast ein kleines Dorf zu nennen, für die, welche den Berg in der einen oder der andern Richtung überstiegen und dort einen Halt machen mussten, um Unterkunft zu nehmen.
Rund 500 Höhenmeter oberhalb des, in Sichtweite befindlichen, Dorfes herrschte auch so geschäftiges Treiben. Ein letztes Aufbäumen der grossen Eisenminen bescherte nochmalig grosse Mengen an Eisenerzen die zu damaliger Zeit noch gut im Preise lagen. Unterhalb der Eisenerzstollen versuchten etliche Investoren mit mehr oder minder gigantischem Aufwand die Eisenerzreichtümer mit langen Stollen untendurch anzufahren. Während in den oberen Bergwerken zahlreiche Handwerkerfamilien bescheidene Einkunft fanden, scheiterten die Sondierstollenknappen am fehlenden Bergertrag. Rund 90 Prozent der Stollenwerke bescherten keinerlei Mineralien indessen Unsummen an Baukosten.
Vom geschäftigen Treiben sind heute kaum noch Spuren auffindbar.

Einzig die mächtigen Halden zeugen von grosser menschlicher Anstrengung im Bezwingen der Bergmächte. Wer den Ursprung dieser Industrieanlage sucht, wird am Roten Stein, zuoberst am Berg auf 2513 müm, fündig. In früher Zeit, 1000 nach Christus oder früher, markierte der Rote Stein eine zutage tretende Erzader die geschäftigen Bergleuten auffiel. Erste Bergbautätigkeit beschränkte sich aufs ausheben eines Schachtes welcher dem Eisenerz folgte. Weitere Erzfunde beflügelten erste Stollenbauten die wiederum für üppige Ausbeute sorgten.
Dass die ersten Investoren aus den nahegelegenen Bormio stammten scheint heute mehr oder minder erwiesen. Auch die ersten, namensgebenden, Hochöfen am Ofenpass bauten italienische Investoren.
Oberirdisch sind heute wenige Mauerreste, Tonscherben und Holzüberbleibsel auszumachen die auf ein hier lebendes Arbeitervolk schliessen lassen. Oft sind diese Artefakte nahe bei verstürzten Mundlöchern zu beobachten.

So auch dieser Scherbenfund welcher Christina und Elsbeth zwischen Mauerresten, an einer höher gelegenen Mine, entdeckten.

Meine damalige Rekonstruktion anhand des Luftbildes und der Funde begünstigt des Schluss wonach die Bergleute oder Bergleutefamilien mehrheitlich neben der Stolleneinfahrt hausten dies trotz akuter Wasserknappheit.
Abgesehen von den, im Berg arbeitenden Knappen, den auf den Halden Erzklümpchen sammelnden Frauen und den Schutt zu Tage fahrenden Kindern, arbeiten etliche weitere Fachleuten am Werk. Die fülle dieser Facharbeiter wird jedoch erst erkennbar bei Einfahrt ins heute bekannte Untertagewerk. Es ist Glück zu nennen dass der Untertagebetrieb kurz nach Stilllegung um 1590 durch Bergerosion all seine Zugänge verlor. Ein Einstieg war erst, mittels Schachtbau, im Jahre 2018 möglich womit zahlreiche Artefakte erhalten blieben. Werkzeuge, Holzbau und Keramik geben Aufschluss über die damalige Zusammensetzung der einzelnen Gewerke. Die Handwerkskunst wird insbesondere beim Holzbau eindrücklich sichtbar.

Holz ist oft bearbeitet mit Axt, was damals üblich war, aber auch mit Säge. Kantholz und gesägte Bretter dominieren an machen Stellen das Bild. Bretter sind an den Stirnseiten gefasst was Aufwand und Einrichtung bedeutete.

Türstöcke sind, dem zu erwartendem Bergdruck, stimmig dimensioniert und die Handwerksfertigkeit deutet auf gut qualifizierte Arbeiterschaft.

Ein Holzgitter, Gatter liegt, umfunktioniert zur Spuntwand, in Hauptstrecke 4. Was dessen Urbestimmung war, ist heute ein Rätsel. Fest steht, der Holzgegenstand ist aus Massgleichen Kanthölzern gebaut. Die Verbindungen sind Dreipunktverzapft was heute, trotz Maschinen, zu den Königsdisziplinen eines jeden Möbelschreiners zählt. Zweifelsohne war diese Konstruktion schon damals eher wertvoller.

Ein einer Abbaustelle liegt eine Handgeschmiedete Hacke (Zarcla). Deren Stil ist gebrochen, wahrscheinlich bei der Tätigkeit am Gesenk. Die Hacke ist trotz vergangener 500 Jahre nur wenig angerostet. Im ersten Moment erschien der Metallteil in leichter Galvanikschicht zu schimmern und es sollten 350 Jahre verstreichen bis zur Entdeckung der Elektrizität, sprich der Galvanisierungskunst.
Es bleiben einige Rätsel zu knacken doch eines zeigt sich deutlich. Die ansässigen Arbeiterfamilien verfügten teils über umfangreiches Bergbau und Handwerkswissen. Text und Zeichenfragmente an den Wänden legen die Vermutung nahe das zu jener Zeit nur wenige des Schreibens und Lesens mächtig waren.

Die einzige Stelle auf welcher zusammenhängender Text erkennbar ist, liegt in einer tiefen Abbauzone. Ansonsten finden sich zahlreiche Symbole und Zeichengruppen. Die Arbeiter untertage pflegten eine entwickelte Berufs-Kultur und ein ausgeprägter Berufsstolz.
Einige Stollenbauten sind, vermutet, von spezialisierten Wanderknappen angelegt. Diese, zumeist in erzfreier Jura-Kalk-Zone, getriebenen Stollen sind, so glaube ich, per Vortiebs-Lachter entlöhnt.

Eine mögliche Abrechnungs-Strichliste findet sich in solch einem geschrämten Bauwerk auf Strecke 4. Ich widmete dieser Strichliste im Artikel Buffalora 2021 bereits einige Aufmerksamkeit.
Kurzum, um 1520 lebten bis zu, geschätzt, 300 bis 500 Personen um die Mundlöcher des produktiven Bergwerks. Neben einer grossen Untertagemannschaft, damals nur Männer, Erzhauern, Vortiebsknappen, Schutter, verdienten etliche weitere Familienangehörige und Zulieferer bescheidenen Lebensunterhalt auf der Bergwerksanlage. Den Frauen war zumeist die Arbeit auf den Halden und den Pochplätzen vorenthalten. Wichtige Bedeutung kam den Karrern und Schlittnern zu. Diese Berufsgattung sorgte für den Erztransport Talwärts zu den Öfen und den Transport von Holz, Lebensmittel und Wasser bergwärts. Es ist anzunehmen dass mehrheitlich von Ochsen gezogenen Schlitten die steilen Strecken bewältigten. Um die Mundlöcher siedelten weitere Handwerksbetriebe an vornehmlich Holzbau, Sägereien, Zimmerleute.

Halde Michael 2 im Oktober
Ob Schmiede in dieser kargen Landschaft wirkten ist heute eher zu verneinen. Das Schmiedehandwerk ist Wasserintensiv und Wasser musste vermutlich aufwendig gesammelt und, oder herausgeschleppt werden. Die zwei aktuell nachgewiesenen Schmiedewerkstätten liegen unterhalb einer Quelle auf 2200 müm.

An zentraler Lage sind grosse Poch und Sortierplätze eingerichtet auf welchen Frauen und Kinder die wertvollen Erzen sortierten und auf kleine Korngrösse, mittels Hammerschlag, weiterverarbeiteten. Unterhalb dieser 4 Hügel liegt ein Plato auf welchen sich die Hauptsiedlung der Handwerksbetriebe befunden haben könnte.
Übersichtsdarstellung als PDF, Bild anklicken.
Meine Rekonstruktion zeigt die etwas vorsichtig ausgestalteten Siedlungsgruppen, im Süden vornehmlich Handwerksbetriebe, Holzdepots, Unterkünfte der Karrer. Im Norden vornehmlich Bergleute und Familien die in einfachen Steinhütten nahe den Mundlöchern lebten. Ein See ist auf meiner Zeichnung keiner vermerkt obschon dieser, in den meisten Bergwerksbetrieben aus jener Zeit, schlicht dazu gehört. Fakt ist, ich hab zwar sehr viel Regen gesehen und auch die Halden zeigen eindeutige Wassererosionsspuren doch Wasser hab ich selbst nie in rauen Mengen gesehen. Wie viel Wasser sammeln möglich ist ohne dass dieses durch die Bergritzen, die zahlreich vorhanden sind, wieder abfliesst, ist mir unklar.
Fest steht, beide, heute nachgewiesenen Bergschmieden, liegen weit unterhalb der Hauptanlage.
Weitere Texte und Dateien zu Buffalora
Grundriss stand Oktober 2021 https://www.luisa.net/wp-content/uploads/2021/10/Buffalora_plan2021_V8.pdf
Dokumentation als PDF https://www.luisa.net/wp-content/uploads/2020/11/buffalora.pdf
Plan vom Haspel https://www.luisa.net/wp-content/uploads/2020/12/haspel.pdf
Gefundene Schriften https://www.luisa.net/wp-content/uploads/2020/12/schriften_V2.pdf
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