Seemühle, was war?

Die Geister meiner Neugierde die ich rief neulich vor vielen Jahren, hier genannt ausstehende Antworten, sollten baldig sich offenbaren, wenn doch, ernüchternd, nur Teilweise. Allen Anfangs, das Objekt meiner Neugierde, bekannt bei mir seit knappen 15 Jahren, war immer wieder Thema meiner Faszination für Vergangenvergessenes oder Wollenvergessenmachentun. Wenn doch, zugegeben meiner Neugierde fleissig Futter liefernd, immer wieder neue Player  sich in diese Geschichte mehr oder minder suspekt einfügten. Anfänglich die Gemeinde Walenstadt, bis hin zu einigen Armeeexponeten welche gekonnt versuchten dies Bauwerk, auf Tags wie auch unter Tags,  tief im Dickicht zu vergraben, so reagieren heute verdächtig Hippernervös Steinewerfer der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft auf allfällige Seemühle-Publikationen.

Doch erstmals waren wir mit einer illustren Gruppe Bergwerksinteressierter aus diversen namhaften Untertags-Vereinen, an schönem Samstagnachmittag unterwegs in Seemühlerischen  Unterwelten. Ein gelungener Samstag welcher dank dazutun einiger wirklich  Unter-Tags-Erfahrener viele neue Erkenntnisse wie auch interessante Informationen zur Seemühle zu Tage förderte. So war für mich die Basis gelegt um erneut im Vergangenen nach der Geschichte zu diesem Bauwerk zu forschen

Also, sorry,  wieder eine Seemühlegeschichte

Geschichtlich Wiederholendes

Im Jahre 1892 entsteht die Seemühle Borner AG. Das Werk fördert Kalk aus felsigen Untiefen um diesen in den Öfen, am Walensee anstossend, zu brennen. Ein stetig verzweigtes Netz an Stollen und Kavernen wächst in den Berg hinein. Im Jahre 1941 baut die Armee im oberen Seemühleteil innerhalb der grosszügigen Kavernen ein Barackendorf um dortig ein Bobensicheres chirurgisches Spital einzurichten. 6 Jahre später verschwindet das Barackendorf klangheimlich aus der Untertagshöhle. Die Seemühlefabrik wächst zum stattlichen Areal mit den 4 Kalkbrennöfen, der Absackerei und der Villa Borner. Die sinkende Nachfrage nach Kalk jedoch zwingt die Familie Borner 1968 zum Konkurs. Es wird erzählt, die Armee habe das gesamte Grundstück erworben. 1968 werden alle Gebäude gesprengt, man nannte dies damals eine Luftschutzübung. Einzig die Untertagsbauten blieben bis heute erhalten.

Dank einiger Teilnehmer an dieser kleinen Untertagebegehung sind mir interessante Informationen zu Händen gekommen welche ich wiederum mit gemachten Beobachtungen verknüpfen konnte. Es war folglich nahe liegend erneut ein Spaziergang durch die Seemühle zu wagen, diesmal ausgestattet mit Doppelmeter, Distanzmessgerät und meinem Fotoapparat.

Ein wichtiges Info war in etwa der Situationsplan des Militärspitals welcher ich mit tatsächlich Vorgefundenem vergleichen könnte. Auch mir zu Händen  ein Kartenauschnitt 25tausender Anno 1946.

Daraus destillierte ich die oben ersichtliche Situation (gross machen, Anklicken) in den Jahren 1946. Die Spurensuche beginnt.

Die Seemühle Borner AG

Die Kalifornieöfen der Seemühle anno 1950.

Am Herbstsamstag 2011 zeigt sich mir die Seemühle folgend

Kalifornie, Gebäudekante Nord, entsprechend dem Foto um 1950 die linke gemauerte Unterkante der Holzverschalten Ofenbatterie.

Im Wald, wahrscheinlich ein Nebengebäude, der Kalifornieöfen.

Mit in der Seitenwand einer kleinen Öffnung durch welche mein Fotoapparat eine mysteriöse Unterkellerung aufzeichnet.

Chirurgisches Militärspital Lochezen

Auch Interessant, dank eines tauglichen Plans des Barackendorfs Militärspitals Lochezen, Hans Peter sei dank, die Situation vor Ort welche ich rudimentär mit Doppelmeter und Laserdistanzmessgerät etwas in Zahlenwerte packte.

Blick vom Vorplatz der Operationsbaracke Richtung Süd zu jener Geheimnisumwitterten Versatzwand welche den Zugang zu dem Seemühle-Labyrinth verwehren sollte und offensichtlich nirgends Erwähnung finden darf. Die Wand, man achte, ist mit Gitter ausgestattet, 1 x 1,4, ganz im Hintergrund, welches die Seemühlebergwerke vom Militärspital trete. Sowohl die Versatzwand wie auch dies Gitter dürften von 1940 oder noch älter sein.

Der Plan, von mir gepimmt und mit tatsächlich Vorgefundenem verglichen zeigt spannende Details zu den damaligen Verhältnissen.

Obschon genannt dieser Ort Lochezen so gehörte diese teils 14 Meter hohe Kaverne mit all deren Fahrstollen zu der Seemühle und folglich vormalig der Familie Borner. Der benachbarte Untertagssteinbruch welcher wiederum Unterirdisch mit der Seemühle verknüpft ist, war benamst Lochezen  und solle in früheren Jahren der See Kies AG gehört haben.

Anno 1941 baute die Armee ein Bombensicheres Spital in die rissigen Kavernen ein. Bis 1943 waren in den Höhlen 44 Einzelbaracken und Stollenabtrennungen entstanden. Das Spital war ausgelegt für rund 400 Verwundete. Da die Anlage immer wieder Erweiterungen erfuhr zeigten sich vor Ort einige Differenzen zum mir bekannten Grundrissplan von 29.8.1941. Unter anderem war die Küchenbaracke auf stattliche Dimensionen von 8.1 x 3,5 Meter angewachsen. Auch im Bereich der Operationsbaracke scheint manches erweitert worden zu sein, leider jedoch kann ich hier kaum ein vernünftiges Muster in den zerdepperten Fundamentresten erkennen. Interessant auch, die Niederspannungsfreileitung, welche an Trägern in der Kavernendecke eingemauert festlag, verläuft entgegen des Originalplans, über eine differente Strecke. Absolut Geheimnisvoll, die Fahrstollen stimmen mit dem Istzustand, indes fehlt auf der Originalzeichnung jegliche Darstellung der Verbindung in die Seemühle. Die Wuchtige 16 Meter lange Versatzwand hinter dem Wachlokal und dem KP fehlt und auch das Gitter wird nicht erwähnt.  Die Tatsache jedoch dass dies Gitter wahrscheinlich schon zu Zeiten des Militärspitals dortig weilte lässt die Vermutung aufkommen das dieser Ort vielleicht gar zu Zeiten Borners, Objekt der Begierde mancher Militärstrategen war. Auf meinem Plan ist absichtlich die Wand wie auch das Gitter Massstabsgetreu eingezeichnet.

Vielleicht hierbei um das Verständnis der Gesamtsituation zu ermöglichen, mein schematischer Grubenplan welcher bereits hier im Blog herumgeisterte.

Wie gehabt, gross machen, anklicken.

Seemühle, letzte Abbauperiode

Es war, bei unserem Rekoausflug Die Geheimnisse der Seemühle, die Frage entbrannt wieso alte Zeitungen aus den 50er Jahren, im südlichsten Stollenbereich, herumliegen. Eine Frage die einige Exkursionsteilnehmer durchaus einleuchtend zu beantworten wussten. Alte Zeitungen waren gerne zur Sprenglochabdichtung verwendet worden. Das gar die letzten Blätter aus den Jahren 1959 stammen denk sich in etwa mit der Einstellung der Untertagstätigkeit.

Es ist, wäre ich nicht etliche male über die Geleise des Hauptmundlochs gestolpert, mir am Bild von Peter Kuhn welches den Schienenverlauf zum Hauptmundloch Richtung Tag zeigt, nichts Aussergewöhnliches aufgefallen. Bei genauer Ansicht jedoch zeigt sich das nur noch der links Richtung Süden abdriftende 52er Schienenstrang durchgehend verläuft. Der rechts anschliessende Strang vom Silolader herkommend ist unterbrochen. Auch die Pressluftleitung, links abzweigend, scheint besseren Zustandes zu wirken als jene, die Teils unterbrochen, in die nördlicheren oberen Bereiche verzweigt.

Die Vermutung liegt nahe dass die unterste, südlich liegende Abbauebene die letzte noch bearbeitete Ebene war. Da die Zeitungspapierfunde aus den Jahren 1950 bis 1960 stammen dürfte folglich der südliche Stollenbereich in dieser Zeit und etwas später entstanden sein. Was mich brennend interessierte, war der hinaufführende unterirdische Teil welcher die Kavernen des ehemaligen Militärspitals  verband.

Meine Erkenntnis wonach dieser Bergwerksbereich vor 1950 ausgehoben wurde, also als die 52er Schienen vom Hauptmundloch Richtung Bildrechts verliefen, dürfte sich hierbei klar ergeben.

Es gab demzufolge die 16Meterige Versatzwand und den Durchgang zum Seemühleteil  bereits zu Zeiten des Militärspitals nur wissen die Militärs dies geflissentlich aus ihrem Situationsplan zu verbannen so wie heute kaum jemand Eingeweihter über die Existenz der Seemühle untertags ein Wörtchen verliert.

Wieso, bleibt noch heute Geheimnis.

Ein lieben dank an die Beteiligten dieser Geschichte von den Vereinen:
Freunde des Bergbaues in Graubünden
Schweizerische Gesellschaft für historische Bergbauforschung SGHB
Schweizerische Gesellschaft für Militärhistorische Studienreisen

Und, meine Links, der Vollständigkeitshalber
Die Zweitgeschichte Die Geheimnisse der Seemühle
Der Vorbeitrag Seemühle Borner AG
Die Seite Seemühle Seemühle

3 comments on Seemühle, was war?

  1. Ein sehr guter Beitrag! Ich werde ihn nun in aller Ruhe nochmal durchlesen.
    Ich kenne das Gebiet gut, bin am See aufgewachsen. Ich habe alles noch live gesehen und erlebt – die Seemühle, die Kalkfabrik, die Oefen… Ich habe auch die Familie Max Borner (Bruder von Raoul Borner) gekannt. Vor allem meine Eltern selig haben freundschaftlich mit ihnen verkehrt. Auch die Namen Ursula & Max Borner jun. sind mir ein Begriff. In der Lochezen haben gute Bekannte von uns noch in den Steinbrüchen gearbeitet. Als Mineure und so…
    Erinnerungen werden wach…!
    Danke und freundliche Grüsse – Margrith Müller

  2. Frau Margrith Mueller, haben Sie die Familie Johann Fritz Rutzer gekannt?
    Fritz Rutzer hat in den Jahren 1954 -60 als Werkzeugmacher gearbeitet und die Familie hat im Arbeiterhaus mit 8 Kindern gewohnt!
    Im Jahre 1960 hat die Gemeinde Walenstadt die Familie nach Australien „ausgesiedelt“, da die „Armut“ und der Soziale stand fuer die Gemeinde „untragbar“ war!

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