Urserianische Kupfererze

oder doch nur trockenes Aktienpapier?

Und wieder war ich hoch zu Berge diesmal im schönen Fleck Ursera. Einblicke waren mir und meinen Freuden ins Bergwerksareal Gruoba, eingangs Ferrearatal,  gewährt. Diese Eindrücke will ich hier etwas detailierter wiedergeben. Somit vorweg, im Gegensatz zum hiesigen Blogvorbeitrag  solle dieser Artikel nicht einzig als Reiseberichtchen hinhalten. Ich will versucht sein die etwas genauere historische Rekonstruktion zu wagen oder, böse Zungen wären geneigt zu behaupten, ich lasse wieder einst meine Fantasie ungebremst vom Stapel.

Bergwerk Gruoba

Bergwerksgebäuderuinen Gruoba Ursera (Bild Hochsommer 2011)

Am Samstag den 19.10.2013 traf sich ein neugieriges Grüppchen welches, in verschiedenster Zusammensetzung bereits die besagten Bergwerke wage kannte, zu umfangreicher Erkundung, angeführt hierbei, wir 4, Hansjürg, Matti, Gina und ich, vom Gruobakennern Sepp und dessen Sohn Sidney. Klar resultierten einige äusserst interessante Eindrücke zum Heute und zum Damals.

Erstmals Heute, grosse Teile der Stollenwerke können mehr oder minder, teilweise eindeutig eher minder, sicher befahren werden.  Wie schon Vorbeiträge von mir zeigen, ist das Areal über eine beachtliche Fläche verteilt. Wir beschränkten uns bei unserer Erkundung auf die Hauptanlage Gruoba auf rund 1500 Höhenmetern.

Bergwerk Gruoba

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Auf einer Fläche von rund 600m mal 200m liegen diverse Stollenbauten wie auch Gebäude verteilt. Die heutig auffindbaren Zeugen stammen hauptsächlich aus der Bergbauepoche der Val Sassam Mines Company Ltd. Dieser Epoche will ich hier hauptsächlich beschreiben.

Drei Hauptabbaustellen treiben die Männer der Val Sassam Mines Company, nach wahrhaft optimistischer Prognose, ab dem Jahre 1866 auf Grouba voran. Alle Werke waren vor den Britten bereits bekannt. Mit einem Aktienkapital von umgerechneten 2 Millionen Franken öffnete die Britische Gesellschaft alte Stollen, baute neue Stollen und errichtete aufwendige Infrastrukturanlagen.

Hinzukamen etliche Sondierstollen und Schürfungen rund ums Gruobagebiet. Eines der grössten Mysterien etwa, der Römerstollen welcher in aktuell auffindbarer Form über eine Länge von über 200 Meter einzig durch tauben Fels führt.

Die 3 Abbaustellen waren, entgegen des prognostizierten Kupfer und Silbersegens, nur minder ertragsreich trotzdem sollen die Stollen im Umfeld dieser Werke um ein Kilometer gewachsen sein.

Bergwerk Gruoba

In der westlich liegenden Abbauzone  wurden mittels Stollen die erzführende, steil aufwärts verlaufende, Schicht, abgebaut.  Im Bild der hochliegende Stollen Calzina (4) welcher die flach auskeilende Kupferkiesschicht anfuhr.

Bergwerk Gruoba

Westlich des Stollenwerkes Calzina (4) die mächtige Abbauspalte welche von den Stollen Metacalzina (1), Cantina (2) und Rebasso (3) bearbeitet wurde. Im Bild das Niveau Cantina (2),

Bergwerk Gruoba

welches, wie unlängst erkennbar, einige Klettertechnische Herausforderungen unserer Gruppe stellte.

Ob der gewünschte Ertrag diese Abbauspalte je erbrachte, mag ich indes bezweifeln. Unsere geologiebewanderten Forscher vermochten  in der mächtigen Halde vor den 3 Stollenbauten kaum die nennenswerte Spur des begehrten Kupferkies ausmachen.

Bergwerk Gruoba

Im tiefst gelegenen Stollen Rebasso (3) sind weitere Seitenspalten mit Versatz gefüllt. Im Bild die Versatzstützenden Spundwände. Links dieser Spundwände  Bergwärts, Richtung Hauptspalte, eine gefährlich mit Holz abgedeckte und mit Wasser gefüllte Abtäufung welche anno Britten zur Weiterverfolgung der Erzschicht angelegt wurde. Heute ist das überklettern dieser Holzkonstruktion, auf welcher, um 1867 Grubenhunte geschoben wurden,  ein äusserst gefährliches Unterfangen. Meiner Vermutung nahe dürfte dieser Stollen Rebasso (3) als letzter Fahrstollen bis zur Aufgabe des Bergwerkes im Jahre 1869 geamtet haben.

In tauben Seitenzweig des Stollen Rebasso (3) ein weiteres Mysterium welches unsere Fantasie ausgiebig murmeln lässt.

Bergwerk Gruoba

In Stein gehauen ein Rechteck in welchem die Ziffer 1 und ein Kreuz zu finden ist. Das Kreuz könnte auf ein Todesfall zurückführbar sein, die Ziffer wiederum ist kaum zu deuten. Die Betriebszeit des Stollens bewegt sich zwischen 1864 und 1869, ergo nirgends ist die Ziffer 1 enthalten. Vielleicht nennt die Ziffer der einzige geschehene Todesfall. Dies jedoch wäre auch kaum Logisch zumal bei Betriebsschluss eine fleissige Seele noch die Nummer hätte einschlagen müssen. Vielleicht auch eines der Arbeiter, aus der Nachbarschaft Andeer oder Ausserferrera, welcher in Gedenken an ein mögliches Opfer, lange nach Betriebsende 1869, die Nummer anbrachte.

Ausserhalb des Stollens Rebasso etwas emporsteigend Richtung Nordost ein weiteres Bergbaurelikt.

Im Mittelteil des Areals oberhalb der Bergbaugebäuden ein Tagbaubereich, mein Nümmerchen (9), welcher eine ausgedehnte Halde zurückliess. Nicht grösser dürfte hier der Ertrag gewesen sein. Die herumliegende Halde passt in etwa Volumenmässig ins fehlende Geländestück.

Bergwerk Gruoba

Im nördlichen Teil des Hügels indes findet sich ein weiterer sehr interessanter Hauptabbauteil, vielleicht war dieser Teil gar der Ertragsreichste.

Unsere Gruobaexperten wissen zu dieser Zone einige wichtige Zeugen zu deuten. Im Bild wird ein Graben sichtbar welcher an einem verschlossenen Schacht endet. Erzählt wird von sehr alter Bergbauanlage, noch vor der Val Sassam Mines Company, die mittels Senkrechtschacht Kupfererz förderte. Der Graben wiederum lässt auf Entwässerung schliessen. So könnte durchaus aus dem Schacht nicht nur Stein und Erz gezogen worden sein, auch möglich das aus diesem Schacht das Stollenwasser gezogen wurde welches anschliessend bequem in dem Graben zum Abfluss gekippt wurde. In Nähe des Schachtes steht noch aktuell der Rest eines Schmelzofens was auch wieder Indiz für ein alter Bergbau ist.  Die Briten nutzen diese Haue mittels Fahrstollen Bethlehem (10) um die Erzschichten weiter abzubauen.

Bergwerk Gruoba

Der Bethlehemstollen (10) ist heute einzig über den alten Abbau erreichbar. Der eigentliche, grosszügig von der Val Sassam Mines Company, angelegte Fahrstollen ist im Eingangsbereich verstürzt. Somit erfolgt der Einstieg über Gesenkten an drohend wirkenden Spundwänden vorbei. Im Bild der Fahrstollen Bethlehem an der Abbaustelle.

Im Bethlehemstollen wie auch im Rebassostollen sind noch heute Holzschienen einer Stollenbahn mit rund 60 cm Spurbreite zu finden.

Bergwerk Gruoba

Die Schienen waren früher mit Winkelblech an der Fahrkante verstärkt. Doch, nach britischer Manier, sind all die Winkelbleche rückgebaut worden. Ohnehin ist kaum die Spur des damalig begehrten Eisens zu finden, ratzeputz schien der Aufräumtrupp sämtliches Metall auszubauen.

Bergwerk Gruoba

Die Bahn im Bethlehemstollen schlängelte sich rund 200 Meter durch dem Berg hindurch. Am Mundloch indes sind schwere Blöcke gestürzt welche den Eingang sperren, Wasser staut sich in der Folge auf rund 30cm Höhe.

Bergwerk Gruoba

Am Gegenende des Fahrstollens Bethlehem unterhalb des zugebauten antiken Schachtes ist noch eine Erzrutsche erhalten. Dies Teil zeugt von erfolgtem Abbau in naher Zone Bethlehem. Der alte Schacht (11) aus früherer Bergbauepoche, dürfte, wie bereits erwähnt, als Förderschacht gedient haben. Die Val Sassam Mines Company-Männer schlossen diesen mit Holzpranken und nutzen stattdessen den luxuriösen neuen Fahrstollen.

Wie bekannt in Schweizer Bergen  keilen auch in Ursera die begehrten Erzschichten schnell aus. Ein alter Stollen welcher gelangweilt rund 70 Höhenmeter tiefer zur Felsspalte herausspähte wurde in den Jahren der Val Sassam Mines Company erweitert und in sportliche Längen von über 200 Meter vorangetrieben. Ob die Nordländischen Ingenieure dies Werk Römerstollen (12) tauften, entzieht sich meiner Kenntnis. Heute, wie auch zu Eschers Zeiten, ist die Bezeichnung Römerstollen in aller Munde und aller Bücher.

Der Römerstollen (12) solle, so glaube ich, die Hoffnung eine weiterführende Erzschicht bei schräger Unterfahrung des Bethlehemreviers anzutreffen, genährt haben. Indes  zuschlug sich diese Hoffnung über die gesamte Strecke im tauben Stein.

Und was war,

eine kleine Rekonstruktion des Bergwerkes wie dieses um 1868 hätte ausschauen  können.

Bergwerk Gruoba um 1868

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Das Bergwerk Ursera bei Andeer war lange bekannte Abbaustelle für Kupfer und sehr weniges Silbererz. Nachricht zum Bergbau auf Ursera findet sich ab ca 1600. Der Flurname Gruoba lässt auf alte Grubenbauten schliessen. Tatsächlich finden sich rund um den geografischen Ortsnamen Gruoba diverse kleinere Stollen wie auch alte Verhütungseinrichtungen.

Wahrscheinlich geblendet von all den Bergbauspuren bildet sich im Jahr 1864 eine Bergbaugesellschaft genannt „Val Sassam Mines Company Ltd“. Die optimistische Prognose der englischen Geologen bestärkt gar die Unternehmungslust der Bergbauer wie auch die Gier der Aktionäre.

Die Aktiengesellschaft Val Sassam Mines Company Ltd, eine Tochterunternehmung der John Taylor & Co, steigt mit umgerechnet 2 Millionen Franken Kapital ins Ursera-Hochland. Mit grosser Kelle werden diverse Bauten, die teils noch bis heute überdauerten, errichtet. Zu denn wieder aufgeschlossenen Gruben kommen einige Stollen von grosser Mächtigkeit hinzu. Einige Gebäude wie auch Bahninfrastruktur entsteht in rasanter Zeit von wenigen Jahren.

Der Wald ist, wie in meiner Zeichnung erkennbar, zu dieser Zeit wahrscheinlich deutlich geschrumpft. Die herumstehenden Verhütungsanlagen (14) aus früherer Epoche, dürften einiges Holz weggefressen haben hinzu kamen Grubeneinbauten und mögliche Gebäude.

Die Val Sassam Mines Company ihrerseits benötigt grosse Mengen an Bauholz für Einbauten, Schienen, Infrastruktur und Gebäude.

Am östlichen Felsabsturz wird eine Seilbahn (13) eingerichtet. Diese Seibahn mündet im Talboden des Ferraratals. Zum Verladen der Seilbahnkesseln wird eine Silobrücke (15) gebaut über diese verläuft ein Industriebahngeleise (16) wahrscheinlich Spurbreite 3 Fuss (90cm). Mit dieser Bahn ist sowohl das Revier Behtlehem wie auch das Rebassosystem im Westen, mit dessen 60er Stollenbahn (17) erschlossen.

Im Westteil werden Gebäude für Unterkunft der Arbeiter (6) wie auch die Technischen Betriebsgebäuden errichtet.  Am Hang könnte das Sprengstoffmagazin (7) platziert gewesen sein.

Nahe Stollenmundlöcher Rebasso (3) und Cantina (2) stand einst eine grosse Schmiede und Werkstattgebäude (5). Naheliegend das auch, an benachbarter Position, Holzlager (18) und Sonstige Depots zu finden waren. Die Vorsortierung des Erzes geschah am Mundloch zu, auf den, teilweise mit Stützmauern ausgebauten, Handscheideplätzen (20). Während wertloses Gestein die Abbraumhalde hinuntergekippt wurde, sammelten fleissige Hände die begehrten Erze ein um diese, auf Rebassoseite, mittels Erzrutsche (19) in die 3 Zollspur-Rollwagen zu verladen.

Anfänglich wurden die Erze an der Seilbahntalstation in Fässern umgeladen und nach England, zur Weiterverarbeitung, verfrachtet.

Englischer Flammofen

Bild, Englischer Flammofen (Sommer 2011)

Gegen Ende der Val Sassam Mines Company entsteht im Ferraratal, an der Talstation, ein englischer Flammofen mit welchem, mehr oder minder erfolglos, Verhütungsversuche unternommen werden.

Die Anlage erfreute sich des regen Betriebs bis 1869. Der Erfolg einer damalig viel zu optimistischen Einschätzung indes blieb aus.

Im Jahre 1872 wird die Aktiengesellschaft Val Sassam Mines Company Ltd liquidiert. Das gesamte Aktienkapital ist in nur 5 Jahren Betriebszeit dahin geschmolzen. Alles was nicht niet und nagelfest ansteht wird abgebaut und weiterverkauft. Metallisches findet sich kaum noch auf dem Areal.

Diverse Konzessionen werden fürs Urseragebiet ausgestellt doch keine der Nachfolgegesellschaften nahm je wieder den Bergbaubetrieb auf. In der Folge verfielen sämtliche Konzessionen ungenutzt.

Im Jahre 1981 konstituierte sich der Verein Pro Gruoba welcher die Relikte aus vergangener Bergbauzeit  in mühsamer Kleinarbeit wieder herrichtete und Pflegte.

Heute wird dies Bergwerk unter Federführung des Vereins Erzminen Hinterrhein, in den Sommermonaten, für Führungen genutzt.

Auch Usus, die alljährlichen Schulklassen der Rudolf Steiner Schule welche dortig ihr Vermessungspraktikum absolvieren.

Abschliessendes zu diesem Text

Quellen
Bilder, Luisa

Karte,
Grundbasis Höhenlinien, Felsen, Gebäude, Bahntrasse Rudolf Steiner Schule Zürcher Oberland (Feldmessprojekt Juni 2003, Nicolas Würmli)
Gruben, Eduard Escher (BEITRÄGE ZUR GEOLOGIE DER SCHWEIZ, Erzlagerstätten und Bergbau im Schams, in Mittelbünden und im Engadin)
Zeichnerische Umsetzung Luisa

Anlagenkenntnisse,
Sepp Beeler, Stephan Wanner (Pro Gruoba).

Meine Vorbeiträge
Das Geheimnis von Ursera
Betlehem ist überall
Römerstollen
Wo sich Eisen versteckt

Links
Naturpark Beverin, Wissensplattform Bergbau
Gemeindeseite Ferrera, Bergbau

2 comments on Urserianische Kupfererze

  1. Lieben Dank zu den lieben Worten.

    In der Tat, die Ferrera-Gemeindeseite ist lange mir bekannt so nahm ich diese als Link im Beitrag zuunterst auf. Indes nur die Deutsche Fassung die englische Version war mir, trotz des englischen Flammofens, irgendwie nicht aufgefallen.

    In diesem Sinne danke für die Ergänzung.

    Glück auf

    Luisa

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