Rom, Teil zwei

oder eine Millionenstadt wird gebaut und sonstige Reiseimpressionen

Ja, wie versprochen, die Fortsetzung meiner Romgeschichte wächst. Teil zwei meiner Erkundungstouren solle, wieder im Untergrund, hauptsächlich die Baurohstoffproduktion , von der Antike bis zur Gegenwart, etwas Weniges illustrieren.

Tuffsteinbruch

Die Stadtbaumeister, konkret damalig die Etrusker, schöpfen in den Jahren 400 vor Christus aus dem Vollen. Eine Vielzahl von ausgedehnten Tuffsteinbrüchen erinnert an jene Zeit reger Bautätigkeit. Mein hier abgelichtetes Beispiel findet sich etwas Versteckt im Wald rund 20 Kilometer nördlich von Rom. Interessant erschien bei dieser Anlage der offensichtlich umgeleitete Bach welcher durch den gesamten unterirdischen Steinbruch führt. Der Bach diente, wie es aussieht, als Hilfsmedium zur Bearbeitung, respektive Herstellung, der damaligen Normtuffsteinblöcken wenn doch der Bach  über verschiedene Zeitepochen hinweg im Steinbruch genutzt wurde. An einem Felsfenster, beim Bachaustritt, steht noch eine Stauanlage die eindeutig ins 19te oder 20te Jahrhundert aktueller Zeitrechnung, passt. Um den Scheinbruch finden sich weitere mysteriöse kleine Wasserführende Stollen. Was diese für Funktionen inne hatten konnte ich nicht klären, fest steht, Wasser erfüllte irgendwie im Herstellungsprozess eine bestimmte, durchaus nützliche Aufgabe. Am Steinbruchzugang sind noch wenige Etruskische Schriftzeichen sichtbar, welcher Bedeutung ist uns allen Unklar.

All die zahlreichen Tuffsteinbruche schafften wiederum ein immenses Transportproblem. Die nicht wirklich handlichen Blöcke , um die 2m x 0.7m x 0.7m, waren kaum über grössere Höhenunterschiede schleppbar. Höhenunterschiede wurden, wo immer Sinnvoll, effizient, mittels Tunnelbauten, getilgt.

Antiker Strassentunnel

So entstanden Strassentunnels in optimaler Pferdehöhe. Der von uns besuchte Tunnel liegt kaum ein Kilometer vom Steinbruch entfernt und steht wahrscheinlich in direktem Zusammenhang mit weiteren umliegenden Steinbrüchen. Der Tunnel ist rund 800 Meter lang und leider am Ende verstürzt. Das Profil ist grosszügig auf Mammutpferde, in der Höhe 2.5m und in der Breite 2.2m, zugeschnitten wenn doch über viele Stellen Meterdicht Schwemmmaterial auf dem Boden liegt. Der Strassen-Tunnel wird über weite Strecken von kleinen Parallelstollen begleitet die hin und wieder mittels Durchschlüpfe ins Hauptwerk führen. Wahrscheinlich waren die Seitenstollen als Wasserleitung, Entwässerung, was auch immer, gedacht. Kleine Nischen in der Tunnelwand zeugen von damaliger Öllampenbeleuchtung also ein recht luxuriöses Bauwerk.

Was mich bei diesem Artefakt faszinierte, das Rechteckige Tunnelprofil als wären auch in diesem Werk die mechanisierten Vortriebsmaschinen, wie im Nemitunnel beobachtet, im Einsatz. Tatsächlich sind an der Wand immer wieder die bekannten kreisrunden Schrämspuren auszumachen. Die Parallelstollen wiederum sind im klassischen Mannsprofil geschlagen.

Auf meinem Bild sind zwei am Boden liegende Tuffsteinblöcke sichtbar. Wie diese und weitere verstreute, dorthin, so ziemlich Tunnelmitte, hin gerieten, ist noch heute ein Rätsel unter Experten. Die Tuffsteinklötze liegen nicht etwa auf originalem Fahrboden, die Blöcke postieren sich frech auf einer wahrscheinlich noch geräumig dicken Schwemmmaterialschicht. Ein Fuhrwerk hätte dies Kaliber wohl kaum über den Schlammboden transportieren können und auch sonstig spricht viel dafür das die Blöcke weit nach der Antike ihre Position einnahmen. Neben den Steinblöcken findet sich eine grössere Tunnelnische die mich an eine Ausweichstelle erinnert. Eine mögliche Erklärung könnte sein das in der Antike die Tuffsteine in der Nische auf bessere Zeiten warteten. Vielleicht 2000 Jahre später fands die Dorfjugend äusserst prickelnd die Steine übers kleine Nischenbord zu kippen. Zugegeben, eine gewagte These, die Steinchen dürften über die Tonne auf die Waage bringen.

Szenenwechsel, schon wieder Steinbrüche

Diesmal die schwebenden Felsen am östlichen Stadtrand von Rom. Auch dieser Bruch machte Tuffsteinblöcke und auch deren Beginn 400 vor Christi. Im Unterschied zu den vorhin beschriebenen Bauwerken, war dieses Werk immer wieder über etliche Zeitepochen hinweg voller Aktivität. Sichtbare Spuren deuten auf eine Steinbruchnutzung bis ins 20te Jahrhundert hin. Und, die Römer sind durchaus kreative Stadtbewohner, waren doch längst nicht nur Steinehauer in den Anlagen tätig.

Tuffsteinbruch

Mächtige Hallen auf dem Steinbruchareal dürften im 21 Jahrhundert als Lagerräume gedient haben. Elektrische Rolltore und gelangweilte Alarmanlagen zeugen von ausgedehnte, gegenwärtig indes aufgegebene, Lagerstätte.

Tuffsteinbruch

Eine doch etwas exotische Nutzung offenbart sich uns beim Eintritt in die hinteren, etwas verborgenen, Bereiche. Es scheint so als hätte ein findiger, aber wenig begnadete Investor, versucht ein kleines Ferienressort aus dem Boden zu stampfen. An einigen Untertageöffnungen sind kleine Häuschen vorgebaut die jedoch nie Vollendung fanden. Der Zerrfallfortschritt dieser Bauruinen lässt auf 5 bis 10 aufgegebene Jahre schliessen. Ohnehin scheint diese, verborgene, Seite durchaus rege Nutzung zu erfahren. Eines der Bauruinen beherbergt eine etwas vernachlässigte Welpenzucht.

Puzzolanerden zwischen Hades und Eisenbahn in feine Pilze gehüllt

Ein Stück weiter Richtung Stadtmitte am Römischen Vorort tun sich weitere absolut spannende Unterwelten auf. Die Unterwelten scheinen förmlich zu kollidieren bis zur Entstehung eines kaum zu fassenden Labyrinths. Eine nie fertiggestellte Bahnlinie, aber dazu komm ich später, schneitet diverse teils schwer datierbare Untertagebauten.

Puzzolanerde-Bergwerk Roma

Im tiefen Bahneinschnitt südlich der Via Casilina öffnet sich ein beachtliches Mundloch, welches, so weiss unser ortskundige Begleiter zu berichten, einst zu einem Puzzolanerdenwerk passte. Die Datierung dieses Werks scheint schwierig trotzdem könnte so Manches in die Antike passen. Die richtig intensiven Bergbauspuren vermute ich so in etwa um 19tes Jahrhundert nach Christus. Interessant bei diesem wie bei manchem vergleichbarem Werk, es gibt keinerlei Indizien für Schienenfahrzeuge, ergo müssen über etliche Zeitepochen hinweg Schubkarren und vielleicht Pferde unterwegs gewesen sein. Die neuzeitliche Nutzung der Untertagewerke als Pilzstollen, gewagt behauptet anhand der herumliegenden Elektroapparate, dürfte bis etwa ins Jahr 2000 bestanden haben.

Pilzstollen Roma

Ergo sind grosse Teile des Bergwerks heute als ehemalige Champignonstollen fahrbar. In den Champignonstollen sind die Wände weiss gestrichen, ich glaube gekalkt, auch sonst machen die Pilzstollen einen aufgeräumten Eindruck. Die Vornutzung, wie genannt Puzzolanerde-Gewinnung, erfolgte im Pfeilerbau mehrheitlich auf einer Sohle in rund 10 bis 15 Meter unter der Erdoberfläche.

Pilzstollen Roma

In einem Pilz-Seitenstollen liegen noch, mehr oder minder, erhaltene Dreirandmotorräder die wahrscheinlich die letzten Jahre als zusammengeschraubte Ersatzteillager überdauerten. Herumliegendes Elektromaterial lässt punktuell auf durchaus aktuelle Nutzerschaft der Stollenanlage schliessen. Bei den Motorrädern hängt eine neuere Quecksilberdampfleuchte, Kabel und sonstiges Zeugs liegt nahe dem Eingang überall herum. Und tatsächlich kreuzen bei unserer Befahrung, zwei nicht wirklich vertrauenerweckende junge Männer auf, die mit einer Trennscheibe, eine Aluminiumschwinge zerstückelten.

Je tiefer ins Erdreich eingedrungen wird desto mehr schwinden die Pilzstollen und das eigentliche Puzzolanerde-Bergwerk wird sichtbar. Das Weiss von den Wänden wird allmählich wieder ursprünglich Braun in Farbe der schwarzen Puzzolanerde.

Stollen-Fundamentierung Wohnhäuser

Wo auf der Oberfläche Häuser stehen sind im Bergwerksteil aufwendigste Stützmauergebilde eingepasst.

Schacht ins Porzellanerdebergwerk

Über einen Senkrechtschacht ist dies verzweigte Stützmauergebilde erschlossen. Dieser Schacht nutze unser Matti zu kleinem Plauderkränzchen mit einem, doch sichtlich verwundertem, Spaziergänger auf der Tagesseite. Klar ist, dieser Schacht diente zum Bau der Abstützung zu Zeiten als die oberhalb liegenden Häuser errichtet wurden. Heute ist dieser Schacht ein möglicher Einstieg ins Unterirdische Labyrinth.

Stollen-Fundamentierung Wohnhäuser

Die neuzeitliche Gebäudeabstützung indessen bedient sich eines schlanken Fundamentpfeilers. Ein Stahlrohr, respektive mehrere Stahlrohre, werden von der Oberfläche her durch das Bergwerk bis in stabile Schichten getrieben. Ich vermute dass im Stahlrohr ein H-Träger fest einbetoniert liegt. Mein hier abgebildetes Exemplar zeigt ein solches neuzeitliches Fundamentrohr.

Da eine Kombination aus Pfeilerbau und Stollenbau zur Gewinnung der schwarzen Puzzolanerde angewendet wurde, erscheint das Gangsystem zunehmend unübersichtlich. Wären nicht hin und wieder gesprayte Markierungen sichtbar, könnte der Orientierungssinn böse entgleiten, noch begünstigend die etlichen Kilometer Untertagebau mit wahrscheinlich nur wenigen Tagöffnungen.

In tiefer Stollenanlage finden wir, in kleiner Halle, eine Öffnung im Stollendach. Unter Insidern solle diese Öffnung in eine unterirdische Grabkammer führen. Unser Romansässige Begleiter solle von deren Existenz erfahren haben jedoch selbst auch nie dies Geheimnis näher erkundet haben.

Grabkammer

(Bild Matti)

Und tatsächlich führt die Öffnung in der Stollendecke durch ein Grab in eine unterirdische Grabanlage. Es scheint wahrscheinlich dass das Stollendach einst, entweder beim Bergbau oder zu späterer Zeit, bei der geringen Überdeckung eines Grabs, einbrach. In der verzweigten Grabanlage finden wir klassische Grabnischen wie auch vertikale Gräber doch die noch verbleibenden menschlichen Knochen wirken ziemlich post mortem zerdeppert. Ohnehin deutet alles auf Grabräuber hin, die Abdeckplatten der Grabnischen sind aufgebrochen respektive verschwunden und auch die, im Boden eingelassenen, Grabfelder scheinen grösstenteils offen zu liegen.

Grabkammer

An einigen Stellen ist noch der Weissputz mit Zeichnung sichtbar. Unser Archäologie-Sachverständige Andreas datiert die Malereien auf rund 100 nach Christus. Die Grabanlage in Form eines um die 80 Meter langen Rundgangs verfügte über einen nach Tag führenden, versiegelten Eingang und über einen etwas höher gelegenen Stollen welchen wir leider, da verstürzt, nicht weiter erkunden konnten.

An einer Wand ist mit Kerzenruss das Datum 1910.6.1 und die Namen Gino, Piero und Sandro niedergeschrieben. Ob tatsächlich das Jahr 1910 damit gemeint ist, entzieht sich meines Wissens. Die Namen klingen eher nach spätes 20. Jahrhundert und auch die sonstigen Kerzenruss-Schmierereien erscheinen eher neueren Datums. Erwiesen scheint, in dieser Anlage, die wahrscheinlich eine erweiterte Familie (Angehörige und Bedienstete ca 50 Gräber) aufnahm, wüteten Grabräuber richtig intensiv. Vermutlich auf der Suche nach Schmuck wurden die Gräber gründlich und ohne Rücksicht durchwühlt. Da ich das Bergwerk so von Ausstattung und Co etwa ins 19. Jahrhundert nach Christus ansiedle, könnte die Grabschändung durchaus in Jahren 1910 erfolgt sein. Ob sich indessen Grabräuber an den Wänden verewigen, mag ich bezweifeln.

Wieder zurück an der an der Oberfläche folge sogleich die kommende Sehenswürdigkeit dem bereits beschriebenen Bahntrasse folgend.

Bahntunnel

Ein Tagbautunnel durch welchen einst hätten Züge fahren sollen, öffnete seine Pforte. Die Geschichte besagt dass im Rom um 1940 eine Bahnlinie hätte stehen sollen. Der Tunnel wie auch das Bahntrasse wurden Vollendet doch Schienen wurden nie eingebaut und so wurde dieser Tunnel zum überdimensionalen Pilz-Stollen. Leider schritten wir den Bahntunnel nicht bis Ende ab, dazu fehlte schlicht die Zeit.

Die Industrieruinen von Tivoli

Nicht minder sehenswürdig, die ehemaligen Glasfabriken von Tivoli welche so zwischen 1910 und 1950 entstanden und heute vor sich hin zerfallen.

Glaswerke Tivoli

Von der gegenüberliegenden Hangseite bietet sich dem neugierigen Betrachter eine eindrückliche, versinkende Industrielandschaft.

Glaswerke Tivoli

Und auch die Detailsicht auf dem monumentalen Hauptkomplex reizt zu ausgedehnten Erkundungsspaziergängen. Leider war auch hierfür keine Zeit.

Und Allerletzte Steine

Ehe ich mich wieder der Schweiz zuwende, ein kurzer Einblick in zeitgenössischer Steinbruchtechnik.

Travertinsteinbruch Tivoli

Die Blöcke heute werden mit hydraulischen Steinsägen geschnitten, so gesehen im Travertinsteinbruch zwischen Villanova und Villalba.

Sumasumarum, eine tolle Reise, allen die mit dabei waren, ein grosses Dankeschön.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert