Trans* das neue Biedertum

Eine historische Betrachtung im Spiegelbild meiner Selbst.

Es ist lange her als ich mich zu einer, mehr oder minder beschwerlichen Metamorphose vom Manne zur Frau entschied, ein Weg voller qualitativ hochstehenden Uneindeutigkeiten. Damals, ich voller Tatendrang, glaubte an dies Grenzensprengende Phänomen Trans*. Grenzen hielten sich bis anno Dato hartnäckig und bestimmten nachhaltig und dogmatisch unser Alltag. Es war festgelegt ein weibliches Verhalten, ein männliches Verhalten und ein riesengrosser daraus resultierende String, festgesetzter Normen lies kaum Luft zum Atmen.

Als Teenager prägten mich Menschen die, in gewisser Impertinenz, Geschlechtergrenzen sprengten und, im Windschatten des Erfolgs, so ziemlich auf jede Definition scheissten. Namen wie David Bowie oder später, Pete Burns von der Band Dead or Alive waren quasi meine Idole denen ich die bitter nötige Avantgarde in starren Gesellschaftsstrukturen attestierte.

Später wars die Hausbesetzerszene, die Technokultur  oder auch der Fetisch-Lifestyle welcher mich zur Hinterfragung gegebener Genderregeln veranlasste.

Luisa mit Mädels

Es war das Jahr 1999 als noch alles offen stand und wir Mädels keinerlei Begrifflichkeiten fürchteten.

Und es sollte ein Befreiungsschlag werden, die Bewegung Trans* die sich allmählich aus kleinen Gruppen auftat  zur Inanspruchnahme des eigenen Selbstverständnisses. Wir versuchten alles mal gehörig durch den Fleischwolf zu drehen und lehnten jede neu kreierte Schublade kategorisch ab. Genderfluid, BDSM, Quer, Drag und viele weitere Artikulationsformen, ohne deren Nennung, eroberten wir im Sturm während die gaffende Gesellschaft ungläubig den Kopf schüttelte und dies unbekannte Gebilde nicht verstehen wollte. Gleichzeitig wollten wir Teil des gesellschaftlichen Lebens sein und unseren Platz inne haben.  Ein neues starkes Selbstbewusstsein, im Stile der CSD Ikone Sylvia Rivera, keimte auf .

Es schien so als würden alle Träume wahr werden und viele Grenzen, Mauern, in Schutt und Asche zerbrechen. Kurze Zeit treten uns weder Landesgrenzen, noch Gendergrenzen, alles war im Fluss und die Möglichkeiten erreichten unerschöpfliche Dimensionen.   Doch der Eindruck war nur von kurzer Dauer und keineswegs objektiv, unser Avantgardetürmchen begann allmählich zu bröckeln.

Chefideologen und Papiertieger- Professionalisierer begannen dies zarte Blümchen Trans* in neu gebaute Korsette zu pressen.  Ganze Registerkästen mit neuen Schubladen wurden errichtet und einer generell strukturliebenden Gesellschaft vorgesetzt.

Die Freiheit war geprügelt, nun musste jeder, jede, sich präzise ins passende Schublädchen einordnen. Begriffe wie Passing setzten neue dogmatische Richtlinien fest ab welchem Punkt die gesellschaftliche Akzeptanz eingefordert werden dürfe.

Begriffe denen ich nie Bedeutung schenkte, drängten mich zunehmend ins enge Korsett des starren Alltags. Was anfänglich mit der positiven Idee des „Trans-Sternchen“ begann, endete in einer Definitionsschlacht mit immer neuen Terminologien. Die Reihe der LGBTIB-und-so-weiter-Buchstaben vermehrte sich inflationär und markiert heute zunehmend neue Ausgrenzung statt der gewollten Diversität.

Parallel zu dieser fortschreitenden Dogmatisierung innerhalb der Trans*-Community öffneten sich Spitäler und Entscheidungsträger (Gutachter, Gerichte) gegenüber zahlreichen neuen, möglichen Lebensformen.  Eine verkehrte Welt machte sich auf. Unsere hartnäckigsten Gegner, Vertreter des repressiven Staatapparats und der Entscheidungsgewalt, reichten uns Hände, respektive Ohren, und inkludierten uns in die Entwicklungsprozesse neuer Trans*-Behandlungsrichtlinien.  Es geschah indes eine reziproke Entwicklung innerhalb der Community geschürt diese unter anderem von interner Intoleranz und wachsenden Grabenkämpfen.

Die Trans*-Bewegung entwickelt sich zu begehrtem Profilierungsfeld für Theoriewälzer und Korsettdogmatiker. Eine Entwicklung derer ich mit viel Skepsis begegne. Eine gewisse Furcht überkommt mich, jener revolutionäre Ansatz vergangener Tage vermisse ich heute zu tiefst.

Trans*fahne

Die Transfahne, für mich ein gültiges Symbol grenzübergreifender Lebensbetrachtungen. Noch heute ist für mich Trans* keineswegs absoluten Werten verknüpfbar.  Es ist mir wichtig meine ganz spezielle Individualität zu leben und wenn noch heute nicht alles restlos eindeutig erscheint so nenne mich doch bitte weiterhin „Luisa“.

Links
Eine wichtige Transrevolutionärin faulenza.blogsport.de

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