Eine Ferrera-Tal-Geschichte den es wird nicht alles Almeria sein und irgendwie muss ich wohl mal wieder hierzulande ankommen.
Val Ferrera, konkret dreht meine Geschichte ums Eisenwerk am „Ual Martin“, Bach Martin, heute Ual da Martegn und die nahegelegenen Erzgruben.
Trotz der verhältnismässig kurzen Betriebszeit, von 1806 bis 1827,finden Schmelzwerke auf einigen alten Dokumenten Erwähnung und noch heute sind Reste einer grossflächigen Industrieanlage auffindbar.
Und doch, liegt erstaunlich wenig Überlieferung zu dieser Anlage und den umliegenden Gruben. Für mich ein interessantes Forschungsrevier mit reichlich ungeklärten Fragen welches mich bereits im Februar des Jahres 2011 faszinierte, indes, mangels Zeit, irgendwo in der Versenkung landete. Gelegenheit im 2019, nach reichlich Almeria-Eisen, mich dieser Geschichte anzunehmen. Also führten mich die letzten zwei Wochenenden in dies Industrierelikt.
Von der grossen Verhütungsanlage sind hauptsächlich die gemauerten markanten Pfeiler, welche Strickwände umschlossen, erhalten geblieben. Drei solche, wahrscheinlich als Lagerräume oder Stähle genutzte, grössere Gebäudeumrisse sind im Gelände der Kraftwerke Hinterrhein ausmachbar. Daneben finden sich zahlreiche kleinere Gebäudereste, wie auch Kanalanlagen weit verstreut. Die beiden Öfen, respektive wenige Reste davon, wahrscheinlich ehemalige Blashochöfen, liegen unmittelbar etwas oberhalb des Averser Rheins in der Nähe des Ual da Martegn. Eine erahnbare Kanalanlage könnte das Blasbalg-Triebwasser vom Ual da Martegn abgeleitet haben. Könnte, denn, meine Beobachtungen widersprechen sowohl der historischen Tuschzeichnung wie auch der Siegfriedkarte Erstausgabe doch zu diesen Wiedersprüchen will ich an späterer Stelle, nach kurzem Bergwerksrundgang, eingehen.
Nicht unweit der Schmelzanlage, nahe dem Bach Martegn, 300 Meter westlich und auf einer Höhe von ca. 1550, liegt die erste grössere Zuliefergrube.
Das Areal ist heute, trotz komplettem Kahlschlag um 1826, schwer zu erreichen. Die Vegetation eroberte sich, in den fast 200 Jahren Erholungszeit, grosse Flächen der Anlagen zurück. Markant an dieser Abbaustelle sind die zahlreichen kleineren Gebäuderesten welche nördlich des, rund 140 Meter langen, Abbauschlitzes gruppiert sind.
Der Abbauschlitz erreicht teils Tiefen um die 20 Meter.
Noch heute stützen unermüdlich ein paar wenige Stempel die überhängende Schlitzdecke. Die Grube macht, trotz einiger Verstürze, einen gesamthaft stabilen Eindruck.
Zeitweilig schwindet der Tagbauschlitz ins Untertägige. Die 140 Meter Abbauschlitz sind mittig mit einem Steindamm getrennt. Auf Höhe des Steindamm findet sich Grundmauerreste die auf eine ehemalige Bergbau-Schmiede hindeuten. In der Grube sind Bohrlöcher erkennbar die auf den Einsatz von Sprengmittelns schliessen lassen.
Über den Erztransport, Siderit / Hämatit lässt sich heute nur spekulieren. Erdrutsche, Lawinen, und die wiederblühende Vegetation veränderten die nähere Umgebung frappant. Auffällig jedoch, die geordnete Haldenaufschüttung und Südposition des Tagschlitzes diese teilweise durch Stützmauerwerk abgesichert.
Das Bergwerk liegt exakt oberhalb der Weiterverarbeitungsanlagen. Es ist durchaus denkbar das ein Abwurfgraben genutzt wurde um das Erz in die Anlage zu befördern. Wege sind aktuell keine eindeutigen auffindbar.
Was jedoch auf der Martegn-Seitigen Grube nicht zu beobachten war, war ein Röstofen wie er an den weiteren Standorten erkennbar ist.
Szenenwechsel, Gegenseite, diesmal östlich der Schmelze, in rund 200 Meter Luftlininie ferne und Gegenseite auf des Averser Rheins aber aus damaliger Erschliessungssituation, wahrscheinlich einiges schwieriger zu erreichen, eine weitere Eisenerzgrube.
Diesmal eine Erz-Grube mit eigenem Röstofen.
Der Ofen ist heute, anhand des noch verbleibenden Steinhalbkreises, eindeutig ausmachbar. An der Ofenwand klebt noch ein kleiner Rest Schlacke welcher unbeschadet die vielen Jahre überdauerte.
Das eigentliche Bergwerk ist, dank einer noch heute intakter Versatzwand, leicht auszumachen. Der letzte genutzte Untertagezugang liegt wahrscheinlich oberhalb des Felsvorsprungs, quasi hinter der Versatzwand. Ein weiterer Zugang in dies, verhältnismässig kleine Werk, liegt auf der Gegenüberliegenden Flanke.
Innendrin, hinter der seitlichen Versatzwand, ists vorwiegend eng und weitläufig eingebrochen. Trotzdem spricht viel für ein kleines Bergwerk mit eher geringer Ausbeute welche jedoch, zur Optimierung, im Ofen auf eine höhere Güte getrimt wurde.
Ich klaute aus der herumliegenden Erzauswahl ein kleines Stück Siderit welches, behaupte ich, noch des Ofens verschont blieb.
Die letzte Grube die ich besuchte liegt im Gebiet „Gruoba“ und ist auch auf der Ostseite des Ferreratals aber bereits auf stolzen 1720 müm. Die Bergknappen mussten bereits 300 Höhenmeter überwinden um das Eisenwerk zu erreichen. Folglich findet sich auf diesem Grubenareal sowohl Ofen, Schmiede wie auch Schlafgebäude.
Die Grube selbst ist, wie bereits beobachtet, ein Abbauschlitz welcher unbekannt in die Tiefe reicht, denn, seit Überlieferung, steht Wasser im Gesenk. Es wird berichtet dass in optimaler Jahreszeit, wenns Wasser frisch und klar wirkt, ein tiefer Verlauf mit abgesoffener Türstockzimmerung sichtbar wird. Bei meinem Besuch lag das Wasser trübe und abgestanden über die Geheimnisse. Auch das obligate Lampenversenken brachte einzig eine 30 cm Sichterweiterung. Auch in dieser Abbaukammer folgten die Bergknappen der schmalen Sideritschicht ins dunkle Tief.
Das Leben der Bergleute war alles andere als entspannt dies verdeutlicht das kleine Schlafgebäude welches den Aufrechten Gang in keinerlei Stelle erlaubte. Der Bau mit Gibeldach ist kaum über 1.30m und platzbietend für eng aneinander liegende 10 Knappen. Die Bergschmiede ist da deutlich grösser ausgelegt.
Die Situation im Überblick
Das ehemalige Eisenwerk steht heute auf dem Areal der Kraftwerke Hinterrhein. Durch den Bau der Turbinenkavernen, nördlich des Eisenwerks, ist viel der ursprünglichen Industrielandschaft verloren gegangen. Die Gruben westlich wie östlich des Werkes sind indes noch heute erhalten. Die Grube Gruoba ist leider abgesoffen dies wahrscheinlich knapp nach Ende des Bergwerksbetriebs. Ein angefangener, tiefer gelegene Querschlag könnte ein Indiz sein für den Lösungsansatz des Wasserproblems. Leider ist der Querschlag nur bis ein Meter angefahren, Richtung und Höhe hätte bei Vollendung indes doch einige Liter vernichtet.
Das Gebiet um die 3 mir bekannten Gruben und ums Eisenwerk war um die 1826er ziemlich kahl geschoren. In den 21 Jahren der Eisenproduktion vernichteten die Öfen eine Unmenge an Wald womit das Eisenwerk mangels Rendite um 1826 die Tore schloss. Die Gruben rund herum wurden indes noch längere Zeit betrieben.
Der Weg auf Gruoba und zu weiteren, noch höher gelegeneren, Gruben ist im Inventar historischer Verkehrswege unter Nummer GR 7855. Noch heute zeugt diese Verkehrsverbindung von schwerer Transportlast wie dies üblich ist beim Eisenerzbergbau.
Zulieferbergwerke sind etliche weitere bekannt die ich jedoch an dieser Stelle nicht näher beschrieben werde, ein andermal.
Interessantes Detail welches mir einiges an Kopfzerbrechen bereitet sind die unterschiedlichen Kartografischen Erzeugnisse die irgendwie alle nicht so recht mit den Beobachtungen auf dem Industrieareal passen.
Stand Siegfried Karte die Erste um rund 1875 mit meiner Anlagenüberlagerung zeigt erste mir nicht passende Unstimmigkeiten. Der Bach Martegn fliesst diesmal nördlich meiner Schmelze. Eingezeichnete Ruinen mit dem Vermerk ehem. Eisenschmelze liegen nördlich des Martegn Baches was mit der historischen Tuschzeichnung am Anfang meines Artikels übereinstimmen würde.
Ein Teil des Martegn Bachs fliesst heute in aller Gemütlichkeit durchs Bergwerk was für eine aktive Umleitung des Wassers sprechen würde anderseits könnte einfach nur die Siegfriedkarte an dieser Stelle reichlich Ungenauigkeiten beinhalten.
Den wenn jetzt die Verkehrswege der Siegfriedkarte auf die aktuelle Karte übertragen werden, zeigen sich einige merkwürdig anmutende Unstimmigkeiten zwischen Gewässer und Wege.
Exakt 75 Jahre vor meinem Besuch, also am 9.6.1944, Fotografierte ein Flugzeug die Gegend. Auf dem Bild ist meine gewohnte Ansicht durchaus wiedergegeben. Zwar liegen im Norden einige wenige Mauerreste die infolge des Kraftwerkbaus geschliffen wurden doch die Ofenanlage will ich an der von mir beobachteten Stelle wiedererkennen.
Auf dem Luftbild ist deutlich weniger Wald sichtbar was den Blick was die Sicht ins damalige wiederum deutlich vereinfacht.
Somit bleibt aus meiner Sicht die plausibelste Erklärung die einer reichlich unpräzisen Siegfriedkarte.
Geschichte
Der Namen Ferreratal lässt sich eine frühe Eisenbergbautradition ableiten. Berichtet wird von Römern die bereits nach Eisen und Bundmetallen suchten. Erste schriftliche Überlieferungen indes datieren auf die Jahre 1605.
Sowohl die Gruben wie auch die Schmelzen könnten demzufolge bereits lange vor deren Industrieller Ausbeutung, in Form kleinster Betriebe, existiert haben.
Die Industrielle Gewinnung von Eisen an den Standorten Innerferrera und Ausserferrera begann anfangs 19tes Jahrhundert.
Im Jahre 1806 erbauten die Gebrüder Venini aus Veltlin die Eisenschmelze Innerferrera und öffneten erste Erzgruben. 200 Arbeiter förderten und verhüteten grosse Eisenerzmengen bis 1827 die schrumpfenden Waldbestände eine rentable Eisengewinnung verunmöglichten. Die Veninis schlossen in der Folge die gesamte Eisenproduktion.
1829, ein Marietti aus Mailand übernimmt die Gruben im Ferratal doch da kaum noch Holz zur Verhütung zur Verfügung steht, kommt’s nie zu aktivem Bergbau.
1830 betreibt die Firma del Negri die Erzgruben im Ferreratal. Del Negri und dessen gutbetuchter Teilhaber Gaspere Ordogno de Rosales waren politische Flüchtlinge die den italienischen Unabhängigkeitskrieg unterstützen. Sie wollten mit dem gewonnenen Erz Waffen für den Freiheitskampf in Italien herstellen. Da im Ferreratal kaum noch Holz zu finden war, bauten Del Negri und Rosales zwei neue Schmelzen in Sufers und Andeer.
Während die Schmelze Sufers dem Autobahnbau A13 weichen musste, steht die Schmelze in Andeer im Haus Rosales noch heute.
Die aufwendige Produktion stand in keinem Verhältnis zum erreichten Ertrag, das Vermögen von Rosales neigte sich dem Ende worauf 1848 der Bergbau eingestellt wurde.
Es sind noch, nach 1848, immer wieder neue Prospektionsversuche im Ferreratal unternommen worden. Bekannteste Gesellschaft war die Bergbau AG Chur unter der Leitung des Ingenieurs Markwalder die zwischen 1917 und 1921 Manganerz auf Starleta abbaute.
Quellen:
Tuschkarte erzminen-hinterrhein.ch / Landeskarte, Flugbild 1944 map.geo.admin.ch
Texte / Recherchen erzminen-hinterrhein.ch , boehm-geologie.ch
Weitere Texte von mir zum Ferreratal
Buntmetalle im Ferreratal Ursera 2018
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