Ein oft gehegtes Mysterium regte an zu zahlreicher Legendenbildung. Viel ist geschrieben, viel ist gezeichnet und einiges erforscht, nun schreib auch ich darüber.
Berichten will ich, nach kurzem Ausflug neulich, von den Meyerischen Stollen benannt nach der Seidenbanddynastie Meyer. Die Meyerischen Stollen befinden sich neben der Aarauer Altstadt im Laurenzenvorstadt-Quartier und dienten einst zur Wassergewinnung mittels Entwässerung des Moorgebietes Bleiche. Dies Wasser wurde einerseits zur Seidenfärberei genutzt anderseits als Treibkraft eines Wasserrads unterirdisch kanalisiert. Die Meyers, als vermögende Grundbesitzer in Aarau bekannt, betrieben erfolgreich Seidenbandproduktion und Seidenfärberei was grosse Mengen an Wasser benötigte.
Villa Meyer, später Villa Feer und aktuell Römisch Katholische Pfarrei Peter und Paul
Die Familie Meyer ist mir auf manchen Streifzügen, respektive bei anschliessender Recherche, in so manch Bergbaurelikt begegnet. Während Vater Meyer an den Bergwerken in Trachsellauenen beteiligt war, Betrieb Johann Samuel von Gruner, Freund und Mitbewohner des Sohnes Johann Rudolf Meyer, die Bergwerke am benachbarten Hungerberg.
Die Meyers waren folglich durchaus Bergbauerprobt und verfügbare Bergleute lebten quasi in näherer Nachbarschaft. So entstand ab 1797 ein umfangreiches, fast 2 Km langes Stollennetz welches auf fast 15 m tiefe, Feuchtgebiete unterfuhr.
Die erste Fabrik lang am Westrand der Altstadt während das Wohn und Geschäftshaus, im Laurenzenvorstadt-Quartier östlich von Aarau, im klassizistischen Stil 1797 fertiggestellt wurde. Zeitgleich trieben die Bergmänner vom Hungerberg ein verzweigtes Stollennetz zwischen Stadtbach und nahegelegenes Sumpfgebiet Bleiche.
Plan von Rainer Meng mit unterem Kellergeschoss Villa Meyer (rot) und Stollensystem (gelb), Quelle https://meyerschestollen.ch/stollen/
Unter der Villa platzierte Sohn Meyer auf zwei Kellergeschosse die Seidenfärberei mit Schachtanschluss an die Wasserstollen.
Einzige Wasserquellfassung direkt unter der Villa Meyer.
Wassersammelstollen unter Bleiche. Die schwarze Färbung der Stollendecke gründet aufs Moorwasser. Der Stollen war, nach Bau des Wasserrads, im Stauvorgang, bis Dach befühlt was die schwarze Ablagerung erklärt.
Zweite Parallelstrecke des Wassersammelstollens unter Bleiche. Auch wieder die schwarze auffällige Verfärbung auf dem grauen Sandstein. An abgesplitterten Deckenpartien wird die ursprüngliche Sandsteinfärbung sichtbar. Dieser Stollenabschnitt ist mit Holzzwischenboden ausgestattet wahrscheinlich die Befahrung zu Revisionszwecken zu vereinfachen.
Musealer kurzer Stollenabschnitt mit Unterbodenbeleuchtung unter dem heutigen Bahnhofsgebäude.
Villa Meyer und Abfluss-Anlage
Gewölbekeller Villa Meyer 2.UG Verwendung unbekannt.
Ausgemauerte Abflussstrecke Teilstück Villa zu Stadtbach. Der Stollen in an zahlreichen Stellen mit Backstein ausgebaut.
Grosse Zwischenhalle des Teilstücks Villa zu Stadtbach.
In den 1810ern baute Johann Rudolf Meyer eine neue Fabrik nahe der Familienvilla. Die alte Fabrikanlage diente fortan als Mietshaus. Unter die neue Fabrik wurde ein mächtiges Wasserrad eingebaut welches die gestaute Kraft des gesammelten Wassers nutzte. Die maximal 3.5 PS des Wasserrands lieferte die mechanische Kraft für die Seidenbandfabrikation.
Im Zuge dieser Wasserkrafterweiterung entstanden weitere Abfluss und Sammelstollen.
Mittleres Abflusssystem unter der heutigen Kirche.
Zisternenstollen unter der heutigen Kirche, mittlere Ebene.
1826 fusionierten die Unternehmungen Gottlieb Meyer und Heinrich Feer zur Gesellschaft Meyer & Feer. Kurz darauf 1829 verstarb Gottlieb Meyer und Heinrich Feer übernahm alleinig die Seidenbandfabrik und die dazugehörige Villa.
Weitere Modernisierungsmassnahmen und Ausbauten wurden realisiert. Die Bahn nutze die inzwischen entwässerten Flächen zum Bau des ersten Bahnhofs.
Heinrich Feer ersetzte 1860 das Wasserrad durch eine leitungsfähigere 6 PS Wasserturbine doch der Betrieb war von kurzer Dauer. Die grosse Wirtschaftsdepression setzte der Seidenbanddynastie 1881 ein Ende. Die Unternehmungen Feer zerfielen im Konkurs und die Stollen rutschten ab ins Vergessen.
Luftbildansicht aus den Jahren 1930 mit ungefährem Stollenverlauf. Die Fabrik ist inzwischen Polizeiposten und die Villa Feer, vormals Villa Meyer, sollte im 1937 an die Römisch Katholische Kirche verkauft werden.
Erst in Neuzeit, als diverse Stollen bedingt durch grössere Bauprojekte offen standen, regte sich ein Interesse für dies Industriedenkmal.
Aktuelle Ansicht des Areals mit Stollensystem.
Seit 1999 wird die Stollenanlage von der Interessengemeinschaft Meyersche Stollen gepflegt.
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