oder der nie so ganz vergessene Schacht
Am 29. Mai fanden wir, Matti, Sidney, Sepp und ich, uns zur Erkundung eines, immer wieder für viel Bergmannsgarn sorgenden, Bergbaugeheimnisses zusammen.
Eines der älteren Kupferbergwerke Dreierbündens thront hoch im Felsen leicht unterhalb des beschaulichen Ortes Affeier. Nur Wenige dokumentierten dies antike Stollenwerk so blieb viel Raum zu weiteren Spekulationen. Insbesondere um die kleineren Stollen, unterhalb des Hauptwerks, sorgten immer wieder für abenteuerliche Mutmassungen.
Wahrscheinlich erste bekannte namentliche Erwähnung findet das Fahlerzvorkommen unterhalb Affeier anno 1588 in einem Verzeichnis des damaligen Davoser Bergrichters Christian Gadmer. Die Grube solle damals den Namen St. Peter getragen haben. Aktuell ist das Hauptbergwerk unter dem Namen Cava da Mettal bekannt wenn doch diese Rätoromanische Bezeichnung die deutlich ältere sein dürfte .
Die Hauptgruben sind etliche Jahre später, genau genommen im Dezember 1979, von Thomas Staub vermessen worden. Somit gibt’s ein Grundriss, aus Thomas Staubs Feder, welcher das obere eigentliche Kupferbergwerk darstellt. Wir wiederum waren, an unserer Expedition, in denn mysteriösen, nie wirklich so genau, dokumentierten, unteren Stollen unterwegs.
Diese unteren Bauwerke, deren 2 Stollen, sind unterhalb der Felswand auf steilem Gelände angeordnet.
Der Blick aufwärts die Senkrechte rund 50Metrige Felswand empor.
Weit oben in der Felswand, noch knapp sichtbar, das grösste Stollenfenster des Hauptbergwerks welches, zu damaliger Zeit bis gegen Ende des 19ten Jahrhunderts, noch Kupfer und ganz selten etwas Silber förderte. Hinter dem grossen Stollenfenster, so wird berichtet, solle das Erz aussortiert worden sein. Das taube Gestein wurde in Folge bequem aus dem Fenster gekippt während die wertvollen Erze zum engen Schacht des Hauptwerkes hinauf geschleppt wurden. Tatsächlich findet sich heute unter der Felswand eine wuchtige Halde im steilen Gelände.
Leicht westlich versetzt zum Hauptwerk sind weitere zwei Stollenwerke die einige Geheimnisse in sich bargen.
Während der untere Stollen, im Bild dessen Mundloch, in leichter Kurve in Hauptbaurichtung steuert und in einem, lange unbekannten, Schacht endet, verläuft der zweite Stollen, rund 26 Meter höher, einzig 10 Meter in genauso tauben Fels hinein. Die nahe Position beider Stollen wie auch die Nähe zum Hauptwerk liess viel Raum zu Spekulationen offen. Insbesondere die Fortsetzung des Schachtes gab viel Anlass zur Neugierde.
Eine der Theorien etwa besagte dass unteres wie oberes Stollenwerk, unabhängig der Hauptwerkes, miteinander verbunden waren. Diese Theorie konnte Matti und Sidney effizient entkräften nachdem die beiden Kletterer das obere Mundloch erreichten und feststellten das der anschliessende Bau nach 10 Meter endigte.
Die zweite Theorie besagt dass der untere Stollen mittels Schacht ins Hauptbergwerk führen täte. Diese Theorie indes birgt einige äusserst unlogisch wirkende Wiedersprüche. So solle etwa das Hauptbergwerk in Westrichtung bei 5 Grad Gefälle allmählich im Wasser versinken. Wäre damals ein Durchgang getrieben worden so könnte sich kaum Wasser, in den oberhalb liegenden Weststrecken, gesammelt haben.
Unser Team, ausgerüstet mit Schlagbohrmaschine und sonstwie viel Technik, steuerte gezielt dies Geheimnis an.
Denn, eines schien klar, mit absoluter Gewissheit kann nur durch Besteigung des Schachtes dessen Weiterverlauf geklärt werden. Da der Schacht Senkrecht 14 Meter in die Höhe stieg und keinerlei Leitern mehr vorhanden waren musste, mittels Bohrhammer und Schlaganker die Senkrechtstrecke überwunden werden.
Ehe wir uns jedoch der Senkrechtstrecke annahmen, erkundeten wir ausgiebig die zwei Stollenwerke unter dem Hauptbergwerk. Auffällig als erstes, das Stollenprofil des längeren Stollens schein eher grösseren Ausmasses. Aufrechter Gang ist, zumindest für mich bei 1.65, auf ganzer rund 60Metriger Strecke möglich. An einigen Stellen, auf dem Stollenboden, finden sich Reste verrotteten Holzes als wären einst Holzschienen für Grubenhunte verlegt gewesen.
Meine Annahme wonach dies Werk rund um die Jahre 1850, ohne den leisesten Ansatz des begehrten Kupfererzes, in den Berg getrieben wurde, erscheint anhand der gemachten Beobachtungen naheliegend. Wieso dieses Bauwerk erstellt wurde kann indes weder ich noch sonstwer näher begründen.
Der Schacht könnte vielleicht hierzu wichtige Ungereimtheiten beseitigen.
Im besagten, geheimnisumwitterten Schacht sind 4 massive Holztremmel, auf 14 Meter Höhendifferenz verteilt, eingebaut. Klar erscheint, an denen Tremmel waren einst Leitern befestigt. Ganz spannend und richtig viel Bergmannsgarn produzierend, zuoberst kann knapp eine Bühne ausgemacht werden. Es scheint so als wäre an dieser Bühne eine offenstehende Falltür befestigt. Was hinter dieser Bühne zu finden sei, konnten wir alle samt nur erahnen.
Bild Matti
Also musste Luischen als Vorhut mit Akku-Schlaghammer, einem Sack voll Schlaganker, jede Menge Karabiner und dreien Ministrickleitern, bohrend und ankereinschlagend, erstmals da rauf.
Bild Matti
Knapp angekommen zeigt sich ein doch sehr differentes Bild. Die geglaubte Falltür existiert nicht. Die nahe Ansicht offenbart einzig fehlende Bretter auf den Bühnenbalken. Beim Erreichen der Holzbühne wird schnell klar wieso Bretter fehlen, leichte Berührungen lassen das Holz in seine elementaren Teile zerfallen. Mein Weg hinauf muss ich, um möglichst wenig der Bühne zu zerstören, minutiös um die verfaulte Holzkonstruktion herum gestalten.
Und oben angekommen sind alle Geheimnisse definitiv zunichte. Der Schacht endet an einem leicht, 30 Grad steigendem Hochstoss. Dieser Anschluss wiederum endigt nach nur wenigen Metern im Fels. Auch auf dieser Höhe findet sich keine Spur eines begehrten Erzes womit immer noch, der Grund für den Bau dieses Stollenwerkes, ein Rätsel bleibt.
Bild Matti
Oben am Schrägschachtende liess ich mich erstmals gemütlich nieder ehe meine Begleiter, mit Steigausrüstung, den Senkrechtschacht hinaufstiegen.
Die Gewissheit steht, der Schacht wurde von unten nach oben getrieben. Was diese Senkrechtstrecke mit anschliessendem kurzem, 120 Grad-Knick bezwecken sollte, ist immer noch Gegenstand weiterer Spekulationen. Auf meiner Reise aufwärts finde ich Spuren früherer Vorbesucher. Vereinzelt sind Karabinernägel in Spalten getrieben worden. Am Schachtkopf sitzt ein Schlaganker mit Winkelplatte und angeschlossenen Karabiner. Somit dürfte ein Vorgänger bereits diesen Schacht bestiegen haben indes ist in einschlägiger Literatur nichts darüber bekannt. Ohnehin schien wenig zu diesem Stollenbau bekannt zu sein.
Trotz ausgiebiger Erkundung sind einige Unklarheiten beständig. So sind die Höhenwerte der einzelnen Stollen eher widersprüchlich. Grundlage zu den Zusammenhängen der Gruben diente mir der Grubenplan des Hauptbergwerks von Thomas Staub.
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Die Höhenwerte übernahm ich aus Staubs Aufzeichnungen. Rechts im Plan das Hauptbergwerk nach Staub, links dargestellt unsere zwei kleinere Stollen die beide, nun wissen wirs, keine Verbindung zum Hauptwerk aufweisen. Die Höhendifferenzen sind auf unserer Planhälfte mittels Laserdisto ermittelt. Die Vertikaldistanz zwischen dem Stollenfenster des Scheideplatzes und dem längeren Stollen legten wir, entgegen den Höhenlinien auf der Landeskarte, auf 54 Meter fest. Eine nicht 100pro wissenschaftlich belegte Höhendifferenz zumal Matti mit Laserdisto nur in Teilschritten messen konnte.
Interessant jedoch, nach Ende des Schachtes setzt der anschliessende Schrägschacht wieder zurück sowohl in Richtung oberer kurzer Stollen, wie auch in Richtung des, im Wasser versinkenden, Stollenarmes des Hauptbergwerks. Beide mögliche Anschlüsse sind denkbar und doch irgendwie merkwürdig.
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Die Schnittzeichnung zeigt wiederum interessante, durchaus unlogisch wirkende, Details. Der Erzverlauf, 5 Gard fallend, liegt nachweislich im Hauptbergwerk. Bei Kote 1155 sinkt das Erzband ins Wasser ab. Diese Stollenabschnitte, so wird berichtet, sind grösseren Profils, ergo aus Zeiten des 19ten Jahrhunderts. Handpumpen, Kessel oder was auch immer, waren damals, mit Sicherheit, im Einsatz. Wir wissen in der Folge nicht wieweit unter die heutige Wasserlinie gegraben wurde. Der, ich nenn ihn mal, Basisstollen liegt ganze 51 Meter unter der Wasserlinie und senkrecht verlaufend, immer noch beträchtliche Meter unter der Fahlerzschicht. Der 14metrige Schacht hätte rund 48 Meter steigen sollen um die Erzschicht anzugreifen. Stattdessen führt der Schacht nach 14 Meter nur noch leicht steigend, sofern den besagten Winkel beibehaltend, alle Stollenbauten verfehlend, wieder Tagwärts an die Felswand. Gemäss der Annahme dieses untere Bauwerk hätte das Hauptbergwerk entwässern sollen, also als sogenannter Erbstollen amtend, hätte der Schrägschacht erneut steil ansteigen müssen. Konkret nach unseren Messungen minimum 50 Grad.
Meine Theorie
Im 19ten Jahrhundert, etwa 1850, wird die Erzförderung zunehmend durch Wassereindringen erschwert. Gleichzeitig sinkt der Erzverlauf weiter ab. Die Stollenneigung wie auch die Stollenlänge, im abgesoffenen Teil, ist weder mir noch Thomas Staub bekannt. Während oben weiterhin mit Handpumpen wie auch mit Kesseln das Bauwerk entwässert wird, beschliesst die Bergwerksleitung ein Sondierstollen zu Treiben unterhalb des Bergwerks. Diesmal jedoch muss die gesamte Technik, Werkzeug und Co. von unten her angeschleppt werden.
Karte gross machen, Karte anklicken (Quelle: GIS GR)
Interessant hierbei, die GIS GR-Karte nennt ein kleiner Weg welcher genau in Richtung Mundloch Basisstollen führt (orange gestrichelte Linie westlich). Auf diesem Pfand könnte das Vortriebsmaterial geschleppt worden sein. Der Basisstollen wiederum musste vernünftig zu erreichen sein was die eher tiefe Positionierung unterhalb des Hauptwerks erklärt. Eines scheint klar, die Bergbauer, eher eine grössere Gesellschaft, hatten Grosses vor, die Spuren im Stollen deuten auf Grubenhunte und auch die grossen Holztremmel im Schacht lassen auf eher grössere Pläne schliessen.
Damals so denke ich, wurde das Fahlerz in tiefen Lagen vermutet. Die Wasserführenden Stollen könnten diesen Hinweis geliefert haben. Der zweite oberhalb liegende Stollen diente einzig der Sondierung. Sollte sich diese Zone als ergiebig zeigen, wäre der Schacht weiter getrieben worden bis zum Erreichen des Hauptbergwerks. Der Stollen hätte somit, bei Fertigstellung, einerseits das Fahlerzvorkommen von unten her aufgeschlossen, womit beim Abtransport die Schwerkraft geholfen hätte, anderseits wäre das ansammelnde Wasser von selbst weggeflossen.
Ich glaube weiter, die Bergwerksgesellschaft die sich dem Mittelalterlichen Bergwerk um ca 1840 annahm, war grösseren Kalibers. Es könnte gar eine englische Aktiengesellschaft, ähnlich der Val Sassam Mines Company auf Ursera, Federführend zum Revival des Mittelalterbaus gewesen sein. Vielleicht sogar die identische Gesellschaft mit gleicher Ausstattung, Scheinen, Hunte, Pumpen, was auch immer.
Die ortsansässige Bevölkerung verfügte zwar, anhand des Flurnamens „Affeier“ ableitend, durchaus über Bergbauerfahrung doch den Sprung ins damals moderne 19te Jahrhundert schaften die Bergbauer definitiv nicht.
Die Anlagen des Hauptbergwerks schienen für den effizienten Erzabbau zu damaliger Zeit denkbar ungeeignet. Insbesondere der enge Zugangsschacht war suboptimal ausgelegt. Vielleicht liess man, um 1840, das Erz, mühsam, mittels Seilwinde, zum Stollenfenster herunter.
Alleweil spricht, aus Sicht einer finanzkräftigen Gesellschaft, einiges für den Bau eines Basisstollens unterhalb des Bergwerks. Indes blieb nach 60 Meter Horizontal und 16 Meter Vertikal das vermutete Fahlerz, oder deren scheue Spur, aus, dies gepaart mit der allmählichen Erschöpfung möglicher Aktionärsgelder veranlasste die Bergbauer zur Aufgabe des ehrgeizigen Projektes.
Ob je wieder Bergbau betrieben wurde auf Cava da Mettal entzieht sich meiner Kenntnis. Spuren deuten keine auf neuzeitlichen Bergbau hin. Indes waren wahrscheinlich immer wieder neugierige Forscher in den Stollen unterwegs. Thomas Staub etwa dokumentierte fein säuberlich die Strahlungswerte an den Mundlöchern.
Quellen:
Bilder Matti / Luisa
Karte GIS GR
Originalgrundriss Thomas Staub auf Minaria Helvetica Nr. 17
Links auf Luisas Blog:
Bergwerk Ursera Urserianische Kupfererze
Links Fremd
Minaria Helvetica Nr. 17
Bergknape Nr. 32
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